Memoiren 1945 - 1987
Baumwolle und Getreide vollbeladener LKW vom südlichen Malakal kommend durch Kau fuhr, stoppten wir den Wagen. Mit Geld erreichten wir, daß unser Soldat Arabi mitgenommen wurde, der glücklich war, nach El Obeid zurückzukehren und seine Frau wiederzusehen. Ebenso wie Suliman erhielt auch er einen SOSBrief an den General mit und einen hohen Geldbetrag. Ich beschwor Arabi, alles zu tun, um sofort mit Wagen, Benzin und Ersatzteilen zurückzukommen. Er kannte die Gefahr, in der wir uns befanden. Wir hatten für unseren Landrover kein Ersatzrad mehr, auch der Benzinvorrat neigte sich dem Ende zu. Nach der Abreise von Arabi wurde das Wetter immer schlechter. Starke Sandstürme und in dieser Jahreszeit sonst nicht vorkommende dunkle Regenwolken beunruhigten uns.
In diesen Tagen konnte man nichts anderes tun als warten. Da teilte uns Jabor mit, daß der immer wieder verschobene Kampf Nyaro-Fungor bestimmt stattfinden würde. Die Stürme hatten nach gelassen, der Himmel war wieder blau, die Hitze aber war unerträglich. Voll angespannter Erwartung fuhren wir nach Nyaro. Von einem kommenden Kampf war noch nichts zu bemerken.
Plötzlich hörte ich von den Felsen die mir schon vom Vorjahr bekannten durchdringenden Schreie der Kämpfer. Dann sah ich bemalte Männer hin- und herlaufen — eine ungeheure Aufregung schien sich der Dorfbewohner bemächtigt zu haben. Es gelangen mir zum ersten Mal wirklich gute und unbeobachtete Aufnahmen. Die Männer kümmerten sich kaum um uns, zu sehr waren sie auf die kommenden Kampfe konzentriert. Auch Horst konnte ungehindert filmen. Immer mehr Männer kamen zusammen und liefen mit ihren geschmeidigen katzenhaften Bewegungen gemeinsam zum Dorf hinaus. Wir folgten ihnen mit dem Wagen. Nicht weit entfernt lag der Kampfplatz, an vielen Stellen von riesigen Bäumen umgeben, in deren Schatten die Kämpfer von Fungor saßen. Da waren sie also, auf die wir so lange gewartet hatten. Über zwanzig junge Männer. Aus der Entfernung sahen sie fast gleich aus. Als ich näher an sie herankam, bemerkte ich, daß jeder sein Messer um das rechte, mit vielen Amuletten geschmückte Handgelenk gebunden hatte. Sie hielten ihre Stöcke umklammert und blickten unverwandt in die Richtung, aus der jetzt die Nyaro-Nuba mit großem Kampfgeschrei in das Feld liefen.
Bald begann der erste Kampf. Er war schwieriger aufzunehmen als im letzten Jahr, denn zu viele Zuschauer liefen uns ständig vor die Kamera oder verdeckten die Kämpfenden. Horst, der sich näher an ein Kampfpaar heranpirschte, wurde von den Schiedsrichtern weggescheucht, mir erging es nicht anders. Es war ein ständiges Rennen, Jagen und Verjagtwerden.
Da sah ich zwei Kämpfer stark bluten und trotzdem weiterkämpfen. Den beiden Schiedsrichtern gelang es nicht, die immer wilder Kämpfenden zu trennen, bis schließlich andere zu Hilfe kamen, um einen schlimmen Ausgang zu verhindern. Unfaßbar schien es mir, was diese Männer offenbar an Schmerzen aushalten konnten. So schwer auch die Verletzungen sein mußten, keiner zeigte seinen Schmerz. Sie alle waren wie in einem Rausch, und die wichtigste Aufgabe der Schiedsrichter war es, wenn der Kampf seinen gefährlichen Höhepunkt erreicht hatte, einen ungewollten Totschlag zu verhindern.
Die Sonne war schon im Sinken, als die Kämpfe zu Ende gingen. Verdreckt, verschwitzt und am Rand unserer Kräfte setzten wir uns in den Wagen. Da fiel unser Blick auf eine Gruppe, die sich um einen Kämpfer mit arg zerschlagenem Schädel bemühte. An seinem Bein hatte man ihm ein kleines Ziegenhorn angesetzt, um das Blut dort abzuzapfen und damit das Bluten am Kopf zu verringern. In die tiefen Kopfwunden hatten sie Sand gestreut — für unsere medizinischen Kenntnisse eine unmögliche Art von Wundbehandlung. Horst holte rasch aus dem Wagen den Verbandskasten und einen Kanister Wasser, die Nuba ließen ihn widerstandslos gewähren. Er reinigte die Wunden, besprühte sie mit Wundpuder und heftete die größte, weit auseinanderklaffende Wunde geschickt mit ein paar Klammern zusammen. Dann legte er dem jungen Mann, der, noch ganz benommen, alles wortlos über sich ergehen ließ, einen Kopfverband an und verabreichte ihm ein paar Schmerztabletten. Auch einen weiteren Verletzten versorgte Horst im Schein meiner Taschenlampe. Es war spät, als wir unser Lager in Kau erreichten.
Um sechs Uhr am nächsten Morgen war Besuch aus Nyaro da. An dem Kopfverband erkannten wir unseren «Patienten». Die
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