Memoiren 1945 - 1987
glauben. Obgleich ich fast 300 Dias zeigte, wollten alle noch viel mehr sehen. Mein französischer Verleger erlebte diesen Triumph mit. Er strahlte.
In Washington erwartete mich Mary Smith von «National Geographic». Sie hatte mir inzwischen einen Vertrag geschickt, in dem sich das Magazin verpflichtet, 20 Farbseiten von den neuen Nuba-Aufnahmen zu bringen. Das Bild-Layout sollte ich gemeinsam mit Bill Garrett machen.
Das Wetter in Washington war herbstlich schön, die Leute gingen noch ohne Wintermäntel. Die Fahrt vom Flugplatz bis in die Stadt war eindrucksvoll. Auf dem dreispurigen Highway begegneten uns nur wenige Autos, und links und rechts leuchteten die Herbstwälder in bunten Farben.
Im Jefferson-Hotel war ein Zimmer für mich reserviert. Es machte einen etwas traurigen, düsteren Eindruck. Aber der mit LanghaarVelour ausgelegte Boden war wunderbar, wie in einer Wollwiese konnte ich barfuß darauf herumspazieren. Als ich mir etwas zu essen und trinken bestellen wollte, bekam ich nichts, nicht einmal eine Flasche Wasser. Samstag und Sonntag waren Küche und Bar geschlossen. Was blieb mir übrig, als noch einmal wegzugehen. So geriet ich in ein fast unheimlich wirkendes Restaurant, das sich «Devil’s fork» nannte. Ich wagte mich kaum in die dunkle Höhle, deren Wände aus riesigen Steinen zusammengesetzt waren, und entdeckte, nachdem sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, superelegante Frauen und Männer, die Frauen in Abendkleidern mit viel Schmuck, die Männer nobel mit den modernsten Krawatten und Anzügen nach dem neuesten Schrei. Chinesinnen und andere asiatische Frauen dominierten, die Hälfte der Tische war leer. Von Decken und Wänden starrten Teufelsfratzen in den Raum, auf keinen Fall für ein weibliches Wesen, das allein und unvorbereitet den Raum betritt, besonders gemütlich. Man dirigierte mich an einen kleinen Tisch und legte mir eine extravagante Speisekarte vor. Die Preise waren enorm, und dankend verneinte ich alle die delikaten Vorschläge wie Cocktails, Kaviar, Austern oder Hummer und ließ mir nur eine Vorspeise, Scampi mit Reis und die kleinste Menge Wein kommen, die es gab — einen halben Liter Rosé. Obgleich ich kaum die Hälfte trank, genügte es, daß ich mit leicht schaukelndem Schritt in mein Hotel fand.
Von nun an war ich täglich mehrere Stunden in dem großen Arbeitsraum mit Bill Garrett beisammen, der mich an Rolf Gillhausen und Michael Rand erinnerte. Er war ein hervorragender Fotograf, hatte jahrelang in Burma, Thailand und Vietnam fotografiert und arbeitete schon 20 Jahre für «National Geographic» als Art Direktor. Die Arbeit mit ihm machte Spaß. Im allgemeinen entwarfen seine Mitarbeiter die Layouts, da er gleichzeitig mit mehreren Serien beschäftigt war, aber Bill Garrett war in die Nuba-Bilder verliebt und legte daher Wert auf meine Mitarbeit. Ich konnte viel von ihm lernen.
In kürzester Zeit wurden von den Farb-Dias Schwarzweiß-Fotos in verschiedenen Größen gemacht, und mit ihnen entstand an einer großen Magnetwand das Layout. Im Nu konnten so die Bilder ausgetauscht und verschoben werden. Auch ich arbeitete in München mit Schwarzweiß-Vergrößerungen, mußte sie aber auf den Fußboden legen und war dadurch im Raum sehr beschränkt. Hier konnte man schnell und übersichtlich die beste Zusammenstellung der Serie übersehen.
Während unserer Arbeit kamen immer mehr Mitglieder und Direktoren aus den verschiedenen Abteilungen und betrachteten die an der Wand hängenden Fotos. Auch Mr. Leakey war zugegen und viele andere, die in der Forschung einen Namen haben, so die englische Wissenschaftlerin Jane Goodall, die in Afrika jahrelang allein mit einer Gruppe von Schimpansen lebte und aufsehenerregende Berichte darüber veröffentlichte. Immer wieder hörte ich das Urteil «incredible». Selbst der Präsident von «National Geographic», Mr. Grosvenor, war beeindruckt.
Da geschah etwas Unerwartetes. Als ich am letzten Tag um zehn Uhr vormittags zu «National Geographic» kam, eröffneten mir Mary Smith und Bill Garrett mit versteinertem Gesicht, daß die Serie nicht erscheinen werde. Es verschlug mir die Sprache. Ich war zutiefst bestürzt. Auch den beiden sah ich an, daß sie ebenso betroffen waren wie ich. Über die Gründe dieser plötzlichen Entscheidung sagte Mary Smith, von Anfang an seien Einwände gegen meine Person erhoben worden, aber einige der maßgeblichen Redakteure hätten sich für das Erscheinen
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