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Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Titel: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Zusammenkünften wäre er nicht am Platze gewesen; sie wollte keinen Mann zum Gatten haben, den sie weniger schätzte als andere.
    Madame Mabille musste wohl die wahren Gründe ihrer Hartnäckigkeit erraten; wenn ich in der Rue de Berri schellte, empfing sie mich mit eisiger Miene; bald nahm sie auch dagegen Stellung, dass Zaza sich mit Pradelle verabredete. Wir hatten eine zweite Bootspartie geplant, doch am Tage vorher bekam ich von Zaza einen Rohrpostbrief. ‹Ich habe soeben mit Mama ein Gespräch gehabt, nach welchem es mir absolut unmöglich ist, mit euch am Donnerstag zum Bootfahren zu kommen. Mama verlässt morgen früh Paris; wenn sie da ist, kann ich mit ihr diskutieren und ihr Widerstand leisten; aber die Freiheit, die sie mir lässt, dazu zu benutzen, eine Sache zu tun, die ihr von Grund auf missfällt – dazu bin ich nicht imstande. Es fällt mir sehr schwer, auf diesen Donnerstagabend zu verzichten, bei dem ich wieder so schöne Augenblicke zu durchleben hoffte wie mit Ihnen und Pradelle damals im Bois de Boulogne. Mama hat mir so schreckliche Dinge gesagt, dass ich beinahe vorhatte, jetzt gleich für drei Monate in irgendein Kloster zu gehen, wo man bereit wäre, mich in Ruhe zu lassen. Ich denke noch immer daran, es zu tun, denn ich bin völlig verstört …›
    Pradelle war sehr niedergeschlagen. ‹Grüßen Sie Mademoiselle Mabille sehr herzlich von mir›, schrieb er mir. ‹Wir können uns doch wohl aber, denke ich mir, ohne dass sie gegen ihr Versprechen verstößt, am helllichten Tage und wie zufällig treffen?› Sie begegneten sich wieder in der Bibliothèque Nationale, wo ich von neuem arbeitete. Ich aß mit ihnen zu Mittag, und sie gingen dann allein zusammen spazieren. Sie sahen sich noch zwei- oder dreimal unter vier Augen, und Ende Juli teilte mir Zaza ganz überwältigt mit, dass sie einander liebten: Sie wollten heiraten, wenn Pradelle die Prüfung für die ‹Agrégation› bestanden und seinen Militärdienst absolviert haben würde. Aber Zaza fürchtete auch jetzt den Widerstand ihrer Mutter. Ich warf ihr vor, sie sei zu pessimistisch. Sie war schließlich kein Kind mehr, und alles in allem wünschte doch Madame Mabille, dass sie glücklich würde. Was hätte sie einwenden können? Pradelle war aus hervorragend guter Familie und praktizierender Katholik; höchstwahrscheinlich machte er Karriere, auf alle Fälle würde die ‹Agrégation› ihm eine auskömmliche Stellung sichern: Auch Lilis Mann war nicht gerade reich. Zaza schüttelte den Kopf. «Darum handelt es sich nicht. In unseren Kreisen kommen Heiraten nicht auf diese Weise zustande!» Pradelle hatte Zazas Bekanntschaft durch mich gemacht, das allein schon warf ein ungünstiges Licht auf ihn. Außerdem würde sich Madame Mabille durch die Aussicht auf eine lange Verlobung sehr beunruhigt fühlen. Vor allem aber wiederholte Zaza mit zähem Eigensinn: «Das tut man bei uns nicht.» Sie hatte beschlossen, den Beginn des Wintersemesters abzuwarten, um mit ihrer Mutter zu sprechen; doch gedachte sie mit Pradelle während der Ferien zu korrespondieren; möglicherweise konnte Madame Mabille etwas davon merken. Was dann? Trotz dieser Gründe zur Beunruhigung fühlte sich Zaza, als sie in Laubardon ankam, doch ganz hoffnungsvoll. ‹Ich habe eine Gewissheit, die es mir erlaubt, vertrauensvoll zu warten und notfalls viel Verdruss und Widerspruch zu ertragen›, schrieb sie mir. ‹Das Leben ist wundervoll.›
     
    Als Herbaud Anfang Juli wieder nach Paris kam, schickte er mir ein Briefchen, in dem er mich bat, den Abend mit ihm zu verbringen. Meine Eltern fanden nicht richtig, dass ich mit einem verheirateten Mann ausging, aber ich war nun so nahe daran, ihrer Aufsicht zu entrinnen, dass sie es aufgegeben hatten, in mein Leben einzugreifen. Ich sah mir also mit Herbaud
The Pilgrim
an und aß bei Lipp mit ihm zu Abend. Er berichtete mir die letzten Abenteuer des ‹Eugène› und lehrte mich ‹brasilianisches Ecarté›, ein Spiel, das er erfunden hatte, um mit Sicherheit immer zu gewinnen. Er sagte mir, seine ‹petits camarades› erwarteten mich Montagabend in der Cité universitaire; sie rechneten auf mich, um Leibniz zu studieren.
    Ich war etwas aufgeregt, als ich Sartres Zimmer betrat; ich fand außer einem riesigen Durcheinander von Büchern und Papieren überall umherliegende Zigarettenstummel und dicken Rauch vor. Sartre empfing mich als Weltmann; er rauchte Pfeife. Schweigend, mit einer Zigarette im Mundwinkel und schief

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