Menetekel
wiederherzustellen. Rydell wusste, dass das nichts werden würde. Nicht, solange Drucker hier und der Störsender eingeschaltet war.
Drucker lächelte Rydell vielsagend an und versteckte den Störsender unter seiner Serviette. Eine Kellnerin kam an ihren Tisch, um ihre Bestellung aufzunehmen, Rydell schickte sie mit einem energischen Kopfschütteln weg. Das hier war schließlich kein Kaffeekränzchen.
«Ich bin überrascht, Sie hier anzutreffen», sagte Drucker. «Konnten Sie der Versuchung nicht widerstehen, es mit eigenen Augen zu sehen?» Er deutete ein Lächeln an, konnte aber nicht verbergen, dass er versuchte, Informationen zu bekommen.
Rydell ignorierte die Frage. «Was haben Sie vor, Keenan?», fragte er ruhig.
Drucker lehnte sich zurück und atmete langsam aus. Er musterte Rydell wie ein Schuldirektor, der sich fragte, was er mit diesem eigensinnigen Schüler machen soll. Nach einer Weile sagte er: «Lieben Sie dieses Land?»
Rydell war nicht klar, was diese Frage sollte. «Wie bitte?»
«Lieben Sie dieses Land?»
«Was ist das für eine Frage?»
Drucker sah ihn fragend an. «Nun?»
Rydell runzelte die Stirn. «Natürlich liebe ich mein Land. Was hat das damit zu tun?»
Drucker nickte, als ob dies die richtige Antwort sei. «Ich liebe es auch, Larry. Ich habe mein ganzes Leben der Aufgabeverschrieben, ihm zu dienen. Und es war ein großartiges Land. Eine Weltmacht. Die Japaner, die Chinesen … wir haben sie nicht mal im Rückspiegel sehen können. Vor vierzig Jahren sind wir auf dem Mond gelandet. Vor vierzig Jahren! Wir waren die Vorreiter des Fortschritts. Wir waren diejenigen, die dem Rest der Welt zeigten, wo es langgeht, wie Wissenschaft, Technik und neue Ideen unser Leben verbessern können. Wir waren diejenigen, die Visionen entwickelten, wie eine Gesellschaft im einundzwanzigsten Jahrhundert aussehen könnte. Und wo sind wir jetzt? Was ist aus uns geworden?»
«Wir sind sehr viel ärmer», stimmte Rydell traurig zu.
«Ärmer, durchschnittlicher, dicker … und dümmer. Wir entwickeln uns zurück. Alle anderen überholen, und wir paddeln zurück, bis wir nur noch Witzfiguren sind. Wir haben unsere Vormachtstellung in der Welt verloren. Und warum? Wegen unserer Führung», sagte er und zeigte böse auf Rydell. «Allein wegen unserer Führung. Früher haben wir überdurchschnittlich intelligente Präsidenten gewählt. Weltgewandte, schlagfertige, würdevolle Männer. Männer, die uns inspirierten, die von der übrigen Welt respektiert wurden, auf die wir stolz sein konnten. Männer mit einer Vision.»
«Einen solchen Präsidenten haben wir heute.»
«Und damit sind wir jetzt aus dem Ärgsten raus, meinen Sie? Abrakadabra, und schon ist das Land sicher? Denken Sie nach. Wir haben gerade acht Jahre unter einem Ölspekulanten hinter uns, den ich nicht mal mein Auto waschen lassen würde. Acht Jahre mit einem Kerl, der dachte, in seinemBauchgefühl würde sich Gottes Wille offenbaren. Acht Jahre unter einem inkompetenten, zügellosen, arroganten Verbrecher haben unser Land in die Knie gezwungen. Und haben wir irgendetwas daraus gelernt? Ganz gewiss nicht. Zum Teufel, es brauchte den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Jahrhunderts, um diesen Sieg gerade eben zu erringen. Das war kein Erdrutschsieg, Larry. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat wieder für dasselbe gestimmt – oder für Schlimmeres. Wir standen so dicht davor, eines der höchsten Ämter einer Person anzuvertrauen, die denkt, dass die Geschichte der Familie Feuerstein ein Tatsachenbericht ist. Die sich erst ein Jahr vor den Wahlen einen Pass besorgt hat und die einen Monat lang keine Interviews gegeben hat, die man versteckt hat, damit sie erst mal in Ruhe büffeln kann, was in der wirklichen Welt vorgeht. Die allen Ernstes denkt, dass sie miterleben wird, wie Jesus Christus auf die Erde zurückkommt und dass unsere Jungs im Irak sind, um Gottes Werk zu vollbringen.» Er knallte mit der Hand auf den Tisch. «Beinahe wäre ein krebsgeschwächter Zweiundsiebzigjähriger, ein schwachsinniger alter Mann, der von nichts eine Ahnung hat, Präsident geworden. So verrückt das klingt, Larry, es wäre beinahe passiert, und es kann sich jederzeit wiederholen. Wir sind blind geworden, wenn es darum geht, unsere Regierung zu wählen. Und wissen Sie, warum die fast damit durchgekommen wären?»
Rydell dachte an Pater Hieronymus und begriff, worauf Drucker hinauswollte. «Weil Gott auf ihrer Seite ist.»
«Weil Gott auf ihrer Seite
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