Menetekel
ist», wiederholte Drucker feierlich.
«Zumindest behaupten sie das», fügte Rydell mit einem spöttischen Achselzucken hinzu.
«Und mehr scheint nicht nötig zu sein. Wir würden jeden Stümper, jeden Idioten, jeden Meister der Mittelmäßigkeit in das höchste Amt des Landes wählen, solange Gott an seiner Seite kandidiert. Wir würden ihnen die Verantwortung für alles übertragen – für die Nahrung, die wir essen, die Häuser, in denen wir leben, die Luft, die wir atmen –, wir würden ihnen die Macht geben, Atombomben abzuwerfen und den Planeten zu zerstören, obwohl sie nicht mal das Wort ‹nuklear› buchstabieren können. Und wir würden es mit Stolz und ohne Zögern tun, solange sie die magischen Worte sagen: dass sie glauben. Dass sie Jesus im Herzen tragen. Dass sie die Führung eines höheren Vaters suchen. Dass sie in das Herz des russischen Präsidenten schauen können, anstatt mit Experten reden zu müssen. Wir haben Präsidenten, die politische Entscheidungen nach ihrem Glauben treffen, nicht mit dem Verstand. Ich rede hier nicht über den Iran. Ich rede nicht über Saudi-Arabien oder die Taliban. Ich rede über uns. Ich rede über Amerika und die evangelikale Bewegung, die das Land überrollt. Wir haben Präsidenten, die politische Entscheidungen auf Grundlage der Offenbarung treffen, Larry. Der Offenbarung.»
Er lehnte sich wieder zurück, atmete durch und beobachtete Rydells Reaktion. Dann fuhr er fort: «Wir waren einmal ein großartiges Land. Ein reiches Land, auf das die restliche Welt neidisch war. Dann wurde ein Kerl eingesetzt, der dachte, Russland wäre das Reich des Bösen und dasswir Weltuntergangsprophezeiungen durchleben. Sie setzen uns einen Kerl vor die Nase, der zu Christus gefunden hat, aber keine Bilanz lesen kann. Die richten da draußen unser Land zugrunde, sie führen Kriege im Namen Gottes und lassen unsere Jungs hochgehen, und das halbe Land marschiert weiter jeden Sonntag zur Kirche und kommt mit einem seligen Lächeln wieder heraus und hält die Flagge ihrer Erlösernation hoch …»
«Ich weiß, wie wütend Sie wegen Jackson sind», unterbrach ihn Rydell. Plötzlich hatte er das Gesicht von Druckers gefallenem Sohn vor Augen, und ihm wurde bewusst, worum es hier ging, «aber –»
«Wütend? Oh, ich bin nicht wütend, Larry. Ich bin fuchsteufelswild. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich will unsere Truppen nicht verhätscheln. Der Job eines Soldaten ist es, sein Leben für sein Land einzusetzen. Jackson wusste das, als er sich gemeldet hat. Aber unser Land befand sich nicht in Gefahr. Dieser Krieg hätte nie geführt werden dürfen. Niemals! Und der einzige Grund dafür war, dass ein inkompetenter Vollochse mit Vaterproblemen und einem Messiaskomplex das Land regierte. Und das darf niemals wieder geschehen.»
Rydell lehnte sich zu ihm hinüber. Er wusste, wie sehr Drucker seinen Sohn geliebt hatte, kannte die ehrgeizigen Ziele, die er für ihn gehabt hatte. Er musste vorsichtig vorgehen. «Ich stimme Ihnen da völlig zu, Keenan. Aber was Sie hier machen, ist –»
Drucker schnitt ihm mit einem Wink das Wort ab und nickte, als ob er wüsste, was Rydell sagen wollte. «Wir dürfennicht zulassen, dass es so weitergeht, Larry.» Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. «Im Amerika des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist Glaube wichtiger als Kompetenz. Glaube. Glaube ist wichtiger als Wissen und Forschung und öffentliche Debatte und sorgfältiges Abwägen. Glaube ist wichtiger als alles andere. Wir müssen diese ganze Denkart auf den Kopf stellen. Wir müssen dafür sorgen, dass Tatsachen wieder respektiert werden. Mit Wissen. Mit Wissenschaft und Ausbildung und Intelligenz und Verstand. Mit Argumenten erreichen Sie bei diesen Leuten gar nichts. Das wissen wir beide. Sie können mit jemandem, der glaubt, Sie wären ein Bote Satans, keine politische Debatte führen. Sie können sich mit denen nicht einigen, denn diese Leute halten Sie für den Teufel. Und kein gottesfürchtiger Christ würde einen Pakt mit dem Teufel eingehen. Nein, es gibt nur eine Chance, dem ein Ende zu setzen, man muss dafür sorgen, dass die Politiker, die ihren Glauben ins Feld führen, sich der Lächerlichkeit preisgeben. Wir müssen den Burschen, die mit so etwas Wahlen gewinnen wollen und mit den schrägsten Agenden daherkommen, ihr Spielzeug wegnehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass es genauso peinlich wird, sich als Kreationist zu outen, wie zu sagen, dass man
Weitere Kostenlose Bücher