Menetekel
sogar an Leute verkauft, denen er früher einmal die Autos geklaut hatte – was er ihnen natürlich nicht auf die Nase band. Alles hatte sich prächtig entwickelt, während Danny völlig von seinem neuen Job verschluckt worden war. Wie von einem schwarzen Loch, das ihn schließlich das Leben gekostet hatte.
Oder?
War es möglich, dass Danny tatsächlich noch am Leben war?
Bellinger hatte ein überzeugendes Argument dafür geliefert. Und keine drei Minuten später war er entführt worden. Das war doch kein Zufall.
Der Gedanke, dass Danny noch am Leben sein könnte, dass man ihnen etwas vorgemacht hatte, dass irgendjemand ihnen die Wahrheit vorenthielt –
dass es nicht das Schicksal war, das ihnen Danny entrissen hatte
–, brannte wie Säure in seiner Kehle.
Das würde er ganz bestimmt nicht einfach auf sich beruhen lassen.
Er nahm die Ausfahrt Willard Street und bog hinter dem Kreisverkehr in die Copeland Street ein. Als er daran dachte, wie schwer die Nachricht von Dannys Tod ihre Eltern getroffenhatte, schwoll sein Zorn noch mehr an. Es war schlimm genug gewesen, dass ihr ältester Sohn wegen Autodiebstahl, Sachbeschädigung und Körperverletzung vorbestraft war. Danny zu verlieren war mehr, als sie ertragen konnten. Ihre Mutter war nur wenige Monate später gestorben. Die Ärzte hatten sich hinter komplizierten medizinischen Fachbegriffen versteckt, aber Matt wusste, dass sie schlicht und einfach an gebrochenem Herzen gestorben war. Und er wusste, dass er Mitschuld daran trug. Das Unheil hatte spätestens an dem Tag in ihren Adern zu kreisen begonnen, als er das erste Mal festgenommen worden war. Seinem Vater war es nicht viel besser ergangen. Dannys Arbeitsvertrag war mit einer Lebensversicherungsklausel versehen gewesen, und die Auszahlung reichte, um das Pflegeheim für ihren Vater plus einigen Zusatzkomfort zu bezahlen. Aber nach den beiden Todesfällen war auch sein Vater ein gebrochener Mann. Auf der zweiten Beerdigung in so kurzer Zeit hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, und Matt hatte ihn kein einziges Mal im Heim besucht. Etwa ein Jahr später hatte der Sheriff des Kaffs, ein vierschrötiger Bulle wie aus dem Bilderbuch, Matt in seiner Werkstatt in Quincy ausfindig gemacht und ihm die Nachricht vom Tod seines Vaters überbracht. Ein Schlaganfall, hatte er gesagt, aber Matt hatte auch hier seine Zweifel.
Bellingers Worte gingen ihm durch den Kopf. Seine Theorie klang völlig an den Haaren herbeigezogen. Nur waren die Typen, mit denen er sich gerade angelegt hatte, verdammt real. Sie waren Profis. Bestens ausgerüstet. Rücksichtslos. Und nicht sonderlich auf Diskretion bedacht.
Besonders der letzte Punkt bereitete ihm Sorgen.
Er rollte auf der Copeland Street Richtung Osten dahin. Die vierzig Jahre alten Scheinwerfer des Mustang hatten Mühe, den dichten Schneefall zu durchdringen. Matt war praktisch alleine unterwegs war, überall lag unberührter Schnee. Hinter der Buckley Street erreichte er die Kreuzung, von der die kleine Straße zu seiner Werkstatt abging. Er wollte gerade abbiegen, als er die Reifenspuren in dem frischen Schnee registrierte.
Ein einzelnes Auto war von der Copeland abgebogen. Seine Werkstatt lag etwa hundert Meter von der Hauptstraße entfernt, und er konnte die unbeleuchtete Straße nicht weit einsehen. Aber die Reifenspuren reichten völlig, um ihn hellhörig werden zu lassen. Zu dieser späten Stunde hatte dort vorn nichts mehr geöffnet. Er war der Einzige, der hier auch wohnte.
Und er erwartete niemanden.
Was für den Rest dieses wunderbaren Abends gar nichts Gutes ahnen ließ.
KAPITEL 17
AMUNDSEN-SEE, ANTARKTIS
«Sie müssen herkommen. Es gibt hier etwas, das Sie sich ansehen müssen.»
Vorsicht, Spinner-Alarm,
dachte Gracie. Englisch war eindeutig nicht die Muttersprache des Anrufers, aber sie konnte seinen Akzent nicht einordnen. Und obwohl er seine Worte langsam und bewusst wählte, teilte sich in ihnen eine Dringlichkeit mit, die trotz der nicht gerade kristallklaren Satellitenverbindung laut und deutlich herüberkam.
«Nun mal schön langsam», erwiderte sie. «Wer sind Sie, und woher haben Sie diese Nummer?»
«Mein Name ist Amin. Bruder Amin, wenn Sie möchten.»
«Und Sie rufen aus Ägypten an.»
«Ja. Aus dem Kloster der Syrer. Im Wadi an-Natrun.»
Alarmstufe zwei.
«Und woher haben Sie diese Nummer?»
«Ich habe in Ihrem Büro in Kairo angerufen.»
«Und die haben sie Ihnen gegeben?»
Sie machte aus ihrer Verärgerung keinen
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