Menetekel
Gefängnis nichts geändert. Vielleicht saßen ihm die Fäuste jetzt etwas lockerer, aber im Grunde verteidigte er sich nur, und sobald er außer Gefahr war, war Schluss.
Diesmal schien das anders zu sein. Aber darüber zerbrach er sich vorläufig nicht den Kopf.
Que será, será
. Er musste sie ja erst mal finden.
Er bog auf die Washington Street Richtung Norden. Mit jedem Häuserblock, den er seinem Ziel näher kam, stieg sein Puls. An der großen Kreuzung Commonwealth Avenue schaltete die Ampel auf Rot, und er stand hinter einem Pick-up, der dringend neue Kolbenringe brauchte. Von der gegenüberliegenden Ampel grinste ihn der aggressive Kühlergrill eines Chrysler 300 C an, der mit links gesetztem Blinker wartete.
Matt kniff die Augen zusammen und reckte den Kopf. War das «sein» Chrysler? Die gegenüberliegende Ampel musste auf Grün geschaltet haben, denn der Chrysler bog in die Commonwealth ein. Ein paar kleinere Wagen, alles ausländische Modelle, wimmelten ihm hinterher wie ein Schwarm Schiffshalter einem Hai. Matt beugte sich nach rechts und bekam kurz den Beifahrer zu sehen. Das harte Gesicht passte, aber ganz sicher war er sich nicht. Er hatte die Typen nur flüchtig vor der Bar und im Lieferwagen gesehen und vor seiner Werkstatt nichts als Schatten und ihre Füße. Aber das Nummernschild besiegelte die Sache. Er erspähte gerade noch die letzten beiden Ziffern, sie stimmten mit der Nummer überein, die er sich notiert hatte.
Das waren sie.
Sein Puls beschleunigte sich. Er schlug das Lenkrad ein, trat das Gaspedal durch, bretterte mit den Außenrädern auf der Bordsteinkante knapp am Pick-up vorbei und bog in die Avenue ein.
Er hatte ohne groß darüber nachzudenken reagiert, instinktiv, aber während er der geschmeidig dahinrollenden Limousine in einigen Wagenlängen Abstand folgte, gefielihm die Entscheidung immer besser. Er wusste ja gar nicht, was sich in dem grauen Haus verbarg, ob es ihre Basis war oder ob sie nie wieder dahin zurückkehren würden. Außerdem saßen nur zwei Männer im Wagen – kein schlechtes Zahlenverhältnis, so wie er gerade drauf war.
An der Harvard Street bogen sie links ab und nahmen dann die Brücke nach Cambridge. Als sie die River Street hinauffuhren, zog sich sein Magen zusammen. Es ging schon wieder zurück Richtung Inman Square. Sein Unbehagen wurde zu blankem Entsetzen, als er sah, in welche Straße der Chrysler einbog und vor welchem Haus er anhielt.
Da war kein Irrtum möglich. Er hatte diese Adresse gerade erst herausgesucht.
Sie parkten direkt vor dem Haus, in dem Csaba Komlosy wohnte.
KAPITEL 27
CAMBRIDGE, MASSACHUSETTS
Matt fuhr zügig an dem Chrysler vorbei, setzte eine beiläufige Miene auf und wandte sein Gesicht ab. Er bog in die erste Querstraße und fuhr rechts ran.
Das war gar nicht gut.
Er blieb im Wagen sitzen und versuchte aus der Sache schlau zu werden. Arbeitete dieser Komlosy mit ihnen zusammen? Hatte er sie über Bellinger auf dem Laufenden gehalten? Aber irgendwie passte das nicht. Komlosys Nachricht auf Bellingers Anrufbeantworter hatte aufrichtig geklungen. Offenbar hatten sie sich über die Erscheinung unterhalten, bevor Bellinger das Gespräch abgebrochen hatte.
Wenn Komlosy nicht für sie arbeitete, waren sie aus denselben Gründen hier, die sie auch zu Bellinger geführt hatten. Was nicht gerade eine rosige Zukunft verhieß. Was allerdings auch bedeutete, dass Komlosy irgendetwas darüber wusste, was sie da auf Teufel komm raus schützen wollten. Was wiederum erklären könnte, was mit Danny passiert war.
Nein. Was sie mit Danny
angestellt
hatten.
Er musste etwas unternehmen.
Er schlüpfte aus dem Taurus und schlich zur Ecke. Sah vorsichtig die Straße hinab. Der Chrysler stand noch da, darin zwei Schatten.
Sie hielten die Augen offen. Warteten.
Überwachten Komlosy. So viel stand fest.
Er musste unbedingt zuerst an ihn rankommen.
Aber wie? Es musste doch einen Weg geben, an den Gangstern vorbeizukommen. Er sah bloß keinen. Komlosy wohnte in einem modernen Apartmenthaus mit fünf, sechs Stockwerken. Die Typen im Chrysler konnten die Straße komplett einsehen, einschließlich des Vorgartens und der Eingangshalle, die er im Vorbeifahren gesehen hatte. Diesen Bereich konnte er vergessen. Allerdings hatte er gleich hinter dem Gebäude eine Rampe gesehen, wie sie normalerweise in eine Tiefgarage führte. Das Problem war, dass auch dieser Zugang in ihrem Blickfeld lag.
Er zog sich zurück und sprintete weiter die
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