Mensch, Martha!: Kriminalroman
auf
Mutter gehört? Dann würde ich jetzt hinter einem Bankschalter
stehen und die Sparschweinchen von netten Kindern leeren!
»Komm, lass uns in der Kantine
noch einen Kaffee trinken«, schlägt Thomas vor.
»Ich lass uns welchen durch«,
bestimmt Martha. Seit dem Rauchverbot im gesamten Dienstgebäude,
das selbstverständlich auch für die Kantine gilt, fühlt sie sich
im eigenen Büro am allerwohlsten. Hier umgeht sie das
Rauchverbot und bisher hat sie noch keiner deshalb angezeigt.
Sie füllt Wasser in die
Kaffeemaschine und denkt über Nicole nach. Sie befolgt Frau Wagners
Rat und sucht einen passenden Begriff für ihr Empfinden. Sie
schwankt zwischen Mitleid und Bedauern.
Thomas kommt mit
Plunderhörnchen. »Hab uns was aus der Kantine besorgt.« Seit
Montag ist er sehr zuvorkommend, Martha findet es fast lästig. Über
die Diskussion in der Feuerwehreinfahrt haben sie kein Wort mehr
verloren.
Martha setzt sich aufs
Fensterbrett und kippt das Fenster. Die Füße stellt sie auf dem
Schreibtischstuhl ab. Sie schlürft den heißen Kaffee und raucht.
»Das mit der Nachhilfe in Französisch war gut.«
Thomas seufzt. »Ich hoffe, die
Sache ist endlich vom Tisch. Sie hat uns viel Zeit und Nerven
gekostet.«
»Es ist eine traurige
Geschichte. Ich frage mich die ganze Zeit, was ein Mädchen dazu
treibt, sich so was auszudenken!«
»Wir sind Polizisten. Du wirst
dafür bezahlt, die Wahrheit zu finden. Wenn du über die
Hintergründe nachdenkst, machst du unbezahlte
Überstunden.«
»Rebekka hatte gestern wieder
mal einen Asthmaanfall. Es liegt am Wetter. Ich denke darüber nach,
was aus ihr werden würde, müsste sie in so einem Heim
aufwachsen!«
»Deine Gehirnzellen tragen
Schwarz. Unternimm was gegen die trüben Gedanken«, rät Thomas.
Martha springt vom
Fensterbrett. »Wie recht du hast!«
Martha fährt zu ihrer Lieblingsboutique. Es
hat hoffentlich nichts mit dieser Frau Fischer zu tun! Damit, dass
die so aufgebrezelt war!
Sie blättert den Ständer mit
den Röcken durch und findet einen ziemlich kurzen in einem
wunderschönen Schwarz. Sie probiert ihn an und sagt zu ihrem
Spiegelbild: Ganz schön gewagt, Martha Morgenstern!
»Steht Ihnen ausgezeichnet«,
bemerkt die Verkäuferin hinter ihr. Sie bringt noch passende
Strumpfhosen und ein paar Pullover. Martha greift nach dem
grauen, der sich dann als der teuerste herausstellt. Sie lässt
die Preisschilder abmachen und behält die Sachen gleich an.
Als sie sich auf den Weg zu
ihren Eltern macht, um Rebekka abzuholen, fühlt sie sich schon
besser.
–9–
Rebekkas Fahrrad liegt neben dem Ladeneingang.
Martha hebt es auf, lehnt es an die Mauer und nimmt sich vor, mehr
Wert darauf zu legen, wie Rebekka mit ihren Sachen umgeht.
Sie geht durch den Laden. Ihre
Mutter bedient eine Kundin und zwischen zwei »Darf es außerdem noch
was sein?« sagt sie: »Du hast Besuch!«
Barbara sitzt im Büro und
arbeitet am Computer. »Du hast Besuch«, sagt auch sie, ohne
die Augen vom Bildschirm zu lösen.
»Wer denn?«
Barbaras Finger fliegen über
die Tastatur. Dann lehnt sie sich zurück. Zwei Sekunden später
setzt sich der Drucker in Gang. »Keine Ahnung. Er hat sich nicht
vorgestellt.«
»Ein Kollege?«
Barbara begutachtet den
Ausdruck. »Möglich. Er sagt, er hätte in einem Fall mit dir
zusammengearbeitet.« Sie zwinkert Martha mit dem linken Auge zu.
»Gut sieht er aus, Schwester!«
»Und wo ist er?«
»Er sitzt im Wohnzimmer und
spielt mit Rebekka MEMORY. Sie spielen um Geld. Rebekka zockt ihn
ganz schön ab. Jedes Kartenpärchen, das sie mehr hat, kostet
ihn zehn Cent. Und wenn sie ihr Lieblingspärchen, die Gans,
aufdeckt, kostet es das doppelte.«
Martha hat keine Idee, welcher
Kollege hier auftauchen könnte.
»Gut schaust du aus«, ruft
ihr Barbara hinterher, als sie die Diele durchquert. Unwillkürlich
wirft Martha einen Blick in den Garderobenspiegel.
Dann setzt ihr Herzschlag aus.
Sie traut ihren Augen nicht. Am Garderobenhaken hängt seine
Lederjacke.
Er sitzt mit Rebekka am Couchtisch und die beiden
spielen tatsächlich MEMORY. Rebekka hat schon wieder die
Kondensmilchmädchenfrisur. Sie räumt gerade eine
Kartenserie ab und quietscht vor Vergnügen. Vor ihr sind Münzen
aufgestapelt.
Es dauert ein paar Sekunden,
ehe Radspieler merkt, dass Martha in der Tür steht. Er steht sofort
auf und kommt auf sie zu. Martha ist zur Salzsäule erstarrt, unfähig
sich zu bewegen. Ich träume das. Bitte lieber Wecker, sei so
gut und klingle.
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