Mensch, Martha!: Kriminalroman
voll, Frau Kommissarin«, sagt er unberührt. »Eines noch.
Sollten Sie mich nochmals verhören wollen, holen Sie mich doch bitte
mit Blaulicht und Sirene ab. Als kleiner Junge habe ich mir so eine
Fahrt immer gewünscht.«
»Es heißt Martinshorn.«
Martha tritt gegen die Radfelgen.
»Mensch, Martha! Was soll denn
das? Bist du noch bei Trost?« Thomas ist völlig aufgebracht. »Wie
kannst du dich so vergessen?«
Sie zündet sich eine Zigarette
an und raucht das erste Drittel mit einem Zug. Schluss mit der
Zählerei! Ab jetzt rauche ich, bis ich keine Luft mehr kriege!
»Der ist besoffen und du lässt
dich auf sein ödes Wortgeplänkel ein!«
»Er ist ein widerlicher
Gickaffe!«
»Ja, das ist er. Aber worum
geht es denn eigentlich? Geht es darum, ob das stimmt, was man
ihm an die Tür gekritzelt hat, oder geht es darum, dass er nicht der
Mann fürs Leben ist?!«
Martha fühlt einen Schlag in
die Magengegend. »Du blöder Schwätzer!«
»So. Ich bin also ein blöder
Schwätzer!« Thomas tritt ganz nahe an sie heran. »So wie es
aussieht, ist an dem Verdacht gegen ihn nichts dran. Schau dir an,
was man ihm ans Haus gepinselt hat! Er ist Kinderarzt. Er sitzt in
seiner leeren Praxis und ist stinksauer. Und du führst Wortgefechte
mit ihm!«
»Ich lass mich nicht behandeln
wie eine dumme Gans!« Martha wirft die Zigarettenkippe auf den Boden
und zermalmt sie mit der Sohle.
»Martha, wir führen hier
Ermittlungen. Wir sind nicht in der Augsburger Puppenkiste!«
Über ihnen wird ein Fenster
geöffnet. »Streitet euch gefälligst nicht unter meinem
Schlafzimmerfenster!« schreit ein Mann. »Ich arbeite Schicht! Und
fahrt augenblicklich euren Wagen aus der Feuerwehreinfahrt!
Sonst hole ich die Polizei!«
Keiner von beiden reagiert.
»Irgendetwas läuft hier schief«, stellt Thomas fest. »Und zwar
von Anfang an!«
»Der Wichser provoziert mich
mit jedem Satz. Mir wird schlecht, wenn ich ihn sehe!«
»Das ist nicht professionell!
Er war ein Tatverdächtiger. Er hat dich nicht zum Tanzen
aufgefordert!«
»Er behandelt mich wie eine
Grundschülerin!«
»Martha! Er ist Kundschaft! Du
brauchst nicht mit ihm ins Bett zu gehen! Viel weniger noch! Du
brauchst nicht mal darüber nachzudenken, ob du es wolltest!«
Marthas Aufgebrachtheit fällt
richtig in sich zusammen. »Was soll denn das heißen? Was redest du
da?« fragt sie ruhig.
Jetzt schlägt Thomas mit der
Faust gegen die Wagentür. »Martha, es tut mir leid. Verdammt,
es tut mir leid!«
»Nein, nein, nein!« Sie tritt
nahe an ihn heran und blickt ihm ins Gesicht. »Sag das noch einmal!«
»Martha ...«
»Ich weiß doch genau, was ihr
so redet. Über die Wagner zum Beispiel: Der müsste es mal wieder
einer ordentlich besorgen! So redet ihr über die Frauen, wenn
sie mal anders reagieren als euch angenehm ist.«
»Martha ...«
»Nix Martha! – Redet ihr
über mich auch so?«
»Natürlich nicht!« Er
berührt sie an der Schulter, aber sie schlägt seine Hand weg.
»Es tut mir leid, wenn du so
etwas denkst. Kein Mensch redet so über dich. Und du weißt das.«
»Ich weiß, dass ihr Männer
seid!«
Es ist schon nach fünf, als sie im Büro
ankommen. »Gehen wir noch was trinken?« fragt
Thomas.
»Nein, ich hab noch was vor«,
antwortet Martha knapp.
Er klappt ihr den Jackenkragen
nach unten. »Darf ich wissen was?«
Sie stellt den Jackenkragen
wieder auf. »Ich gehe mit Rebekka Schuhe kaufen.«
–8–
Am Mittwochvormittag kommt Staatsanwältin Noll
auf die Dienststelle. Martha ließ ihr am Tag
zuvor die Ergebnisse der erneuten Befragung von Nicole Scherbaum
zukommen und machte einen Vermerk: Es ergeben sich Widersprüche!!
Frau Noll ist eine üppige Frau
um die fünfzig. Sie trägt auffälligen Schmuck und ist stets
perfekt geschminkt. Beim »Heiteren Berufe-Raten« würde man
auf die Geschäftsführerin einer Nobelboutique für Übergrößen
tippen. Sie kleidet sich in keinen anderen Farben als dunkelblau,
dunkelgrün und dunkelrot. Sie kombiniert sie zu einem, wie Martha
findet, sagenhaften Outfit, während ihre männlichen Kollegen
meinen, sie wäre mit Farbenblindheit geschlagen.
»Morgenstern, Ihre Scherbaum
hat sich ziemlich verheddert, wie mir scheint.«
Ich hab mich ziemlich
verheddert, wie mir scheint.
Bei Frau Noll haben die
Menschen weder einen Vornamen noch eine Anrede. Becker findet das
despektierlich, aber Martha glaubt, dass nichts dergleichen
dahintersteckt. Einmal wollten sie ihre Reaktion testen, wenn
sie einfach mit Noll
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