Mensch, Martha!: Kriminalroman
gut, ihn erst einmal noch warten zu
lassen.
Straßenbergers Bürotür steht
offen. Er gießt die Pflanzen auf dem Fensterbrett. Während der
Dienstzeit Pflanzen gießen! Wenn das der Steuerzahler wüsste! »Guten Morgen Martha. Dieser Radspieler wartet seit zwanzig
Minuten auf Sie. Er will mit Ihnen sprechen. Nur mit Ihnen«,
sagt er, während er ein Alpenveilchen von welken Blüten befreit.
»Wissen Sie, worum es geht?«
»Nein. Ich hoffe, er will sich
nicht beschweren.«
»Na, dann werde ich mal ...« herausfinden, was der Arsch will.
Martha verzieht sich erst noch
auf die Damentoilette und raucht eine Zigarette. Dann fällt ihr
nichts mehr ein. Sie kehrt in ihr Büro zurück und nimmt an ihrem
Schreibtisch Platz. Radspieler sitzt ihr gegenüber. Sie blickt ihn
mit Dienstaugen an. »Also, was gibt’s?«
»Erst einmal möchte ich mich
entschuldigen. Erst einmal für Montag. – Ich hatte wohl ziemlich
viel getrunken. Dann für gestern. Es war ungeschickt und dreist von
mir, Sie zu Hause aufzusuchen.«
Hat der Kreide gefressen?
Was will der? »Kommen Sie doch bitte zur Sache.«
Er kratzt sich an der Stirn.
»Ich versuche, es kurz zu machen.«
Gib dein Bestes!
»Ich habe mit Herrn Körner
telefoniert. Er erwähnte zwei weitere Mädchen, die
Beschuldigungen gegen mich vorgebracht hätten.«
Martha horcht auf. Warum ist
der plötzlich so handzahm? »Ja, das stimmt. Wir werden sie noch
befragen. – Es ist bisher noch nicht geschehen, weil ... « wir es vergessen haben, nachdem Nicoles Kartenhaus eingestürzt
war »... ähm, wir im Moment wegen krankheitsbedingter
Ausfälle ziemlich unterbesetzt sind.« Als ob das eine Rolle
spielen würde, ob Becker da ist oder fehlt.
»Werden Sie die Befragung
durchführen?«
Worauf will der hinaus? »Gut
möglich.«
Er kratzt sich wieder an der
Stirn. Sie ist inzwischen rot als hätte er eine Allergie. »Ich
wollte Sie bitten, die Befragung auszudehnen.«
»Wie bitte?« Was führt
der im Schilde?
»Sie werden schnell merken,
dass die Beschuldigungen der beiden Mädchen aus dem Roten Haus
nicht haltbar sind. Ich glaube, in Ihrer Branche spricht man in
solchen Fällen von Trittbrettfahrern.« Er kratzt sich an den
Augenbrauen.
Der hat Kreide gefressen.
Der will mich manipulieren! »Was meinen Sie mit Fragen
ausdehnen?«
»Im Gelben Haus wohnen zwei
Schwestern. Sabrina und Corinna Färber, vierzehn und dreizehn
Jahre alt. Mit denen sollten Sie versuchen zu reden.«
Ablenkungsmanöver . »Und
warum halten Sie das für so wichtig?«
Radspieler holt tief Luft und
bläst die Backen auf. Er lässt die Luft durch die Lippen
entweichen, als würde er eine Zigarette rauchen.
Ich könnte gut eine
vertragen.
»Vielleicht werden Sie in
einer anderen Sache fündig.« Er räuspert sich und wartet
anscheinend auf eine Reaktion Marthas. Als sie ausbleibt, fährt er
fort. »Beide Schwestern sind Patientinnen von mir. Es sind – wie
soll ich es ausdrücken – hübsche, elfenhafte Mädchen.
Cinderella-Typen.«
Ist es üblich, dass
Kinderärzte ihre kleinen Patientinnen so taxieren?
Martha stellt keine Gegenfrage,
was ihn offenbar irritiert. Sie kostet das aus und wartet einfach,
bis er weiterredet.
»Sabrina hatte ein
Nabelpiercing, das übel entzündet war. Deswegen war sie im
August in meiner Sprechstunde. Ich entfernte den Stecker, versorgte
die Wunde und klebte sie mit einer Wundauflage ab. Sabrina war sehr
besorgt, ob die Wunde bis zum Wochenende verheilen würde. Ich fragte
sie: Willst du schwimmen gehen? Sie verneinte und erzählte, sie
würde in einem Film mitwirken.«
»Und weiter?«
Er zuckt mit den Achseln. »Sie
dürfe darüber nicht reden. – Soviel ich weiß, fahren die
Schwestern regelmäßig am Wochenende zu ihrer Mutter und deren
Lebensgefährten. Und sie verfügen beide über relativ viel Geld.
Teure Handys und so.« Wieder scheint er auf eine Gegenfrage zu
warten, aber Martha stellt keine. Sie zeichnet kleine Strichmännchen
auf einen Notizblock. »Bei der Behandlung des Piercings fiel mir
auf, dass Sabrina rasiert ist.« Er blickt Martha an. »Was ich sagen
will ... mein Verdacht ist – wie Sie selber merken – sehr vage.
Ich habe auch keine Möglichkeit, ihm auf den Grund zu gehen. Aber
Sie können es vielleicht.«
Was ist das für ein Spiel,
das der da mit mir spielt? »Haben Sie mit Herrn Körner über
diese Beobachtung gesprochen?«
Radspieler winkt ab. »Nein.
Der hätte allenfalls mit der Mutter geredet. Und ich denke, es wäre
nichts dabei
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