Mensch, Martha!: Kriminalroman
erneut an Nicole. »Also, wie war das?«
»Ich hab ihm mein Bauchweh
beschrieben, dann hat er sich an mich herangemacht.«
»Aber doch nicht an der
Haustür.«
»Nein, natürlich nicht. Ich
bin ihm ins Sprechzimmer gefolgt ...«
»Ins Sprechzimmer? Wo sein
Schreibtisch steht?«
»Ja, verdammt. Dort musste ich
mich auf die Liege legen und dann ging’s los.«
Nicole redet von der Liege im
Sprechzimmer, bleibt dabei, dass er ihr die Hose herunterzerrt, sich
den Arztkittel aufknöpft. Sie schildert, wie er durch die Hose
sein Glied in ihre Hand drückt, seine Finger in ihre Scheide steckt.
Sie legt ihm noch ein paar schweinische Sprüche in den Mund und
wählt die Version mit der Bluse.
Frau Fischer sitzt da mit
schmerzverzerrtem Gesicht. Hab ich am Samstag auch so dämlich
drein geguckt? Sie drückt Nicoles Hand und jedes Mal, wenn ihr
Redefluss stoppt, nickt sie ihr ermutigend zu.
»Hast du einen BH getragen?«
»Ja, den hat er mir
aufgemacht.«
»Ich dachte, du bist gelegen?«
»Er hat mich hochgezogen und
dann den Verschluss geöffnet.«
Die Tonlage in Thomas’ Stimme
ändert sich ohne Vorankündigung. »Wir haben dich drei Mal
befragt. Wir haben jetzt drei Geschichten, die sich in
entscheidenden Details unterscheiden ...«
»Es ist wahr, was ich sage!«
schreit Nicole aufgeregt. »Sie wollen das Schwein decken, weil
ihr Männer alle zusammenhaltet!«
»Details! Details! Geht es
hier etwa um Details?« ereifert sich Frau Fischer. »Das ist
wirklich erniedrigend! Nicole ist verwirrt von diesem Übergriff.
Verwirrt und verstört. Und Sie reiten auf Details herum!«
»Weil dort, wie schon der
Volksmund weiß, oft die Tücke liegt!«
»Was redet der für einen
Scheiß?« sagt Nicole aufgebracht. »Und die falsche Schlange da
drüben lässt mich hängen! Am Samstag hat sie sich mit ihrem
freundlichen Getue in mein Vertrauen geschlichen!« Sie äfft
Martha nach: »Wir von der Polizei sind dazu da, die Wahrheit
herauszufinden!«
»Jetzt schalte mal lieber
einen Gang zurück«, versucht Thomas vergeblich, sie zu
unterbrechen.
»Ach was! Heute hockt sie da
und schaut zu, wie ich hier fertig gemacht werde!« Nicole schnappt
nach Luft.
»Wir haben hier ein paar
Tatsachen, die sich nicht verbiegen lassen«, sagt Thomas.
»Und die wären?« Frau
Fischer streicht beruhigend über Nicoles Schulter.
Ob die zwei sonst auch so
vertraut miteinander sind?
»An diesem Freitagabend gab es
keinen Arztkittel. Im Sprechzimmer steht überhaupt keine
Liege.«
Frau Fischer blickt Thomas
entgeistert an. »Und an so etwas soll alles hängen? Sie haben
Nicole derart verwirrt, sie weiß nicht mehr, wie es war.«
Nicole schluckt. Die Farbe ist
aus ihrem Gesicht gewichen.
Thomas lässt sich auf kein Hin
und Her mehr ein. »Du bist fünfzehn. Du bist strafmündig. Wir
werden deine falschen Beschuldigungen strafrechtlich verfolgen«,
belehrt er Nicole.
Sie presst die Lippen
aufeinander. Was geht in deinem Kopf jetzt vor?
»Eine Frage wirst du mir noch
beantworten. Mit wem hast du über das, was sich da am Freitag
zugetragen haben soll, gesprochen?«
»Was geht Sie das an? Ich kann
reden, mit wem ich will!«
»Beantworte doch bitte meine
Frage.«
Nicole lehnt sich zurück und
zuckt mit den Schultern. »Mit allen. Alle sollen wissen, was der für
eine Sau ist.«
»An die Hauswand von Herrn
Radspieler wurden in der Nacht auf Sonntag unschöne Sachen
geschmiert. Bist du das gewesen?« will Thomas wissen.
Nicole macht eine nichtssagende
Handbewegung. »Nein, das war ich nicht. Ich war am Freitag im
Jugendzentrum. Ich war da mit Freunden aus der Schule zusammen. Ich
musste um zehn zu Hause sein. Die Schmierereien waren viel später.«
Frau Fischer zuckt zusammen.
Sie blickt zu Thomas. Aus seinem Gesicht lässt sich absolut nichts
ablesen.
Wir können den Kollegen
sagen, wo sie ihren Graffiti-Künstler finden. Im Juze.
Thomas steht auf, um das Ende
des Gesprächs zu signalisieren.
»Das letzte Wort ist noch
nicht gesprochen!« bemerkt Frau Fischer und streicht ihren
Designerrock glatt.
Thomas nimmt ihren Blazer von
der Stuhllehne und zwingt sie fast hineinzuschlüpfen.
An der Tür wendet sie sich
nochmals um. Sie mustert Martha von oben bis unten. »Sie sollten
sich was schämen. Ihnen ist jegliches Gewissen und jede
Empathie abhanden gekommen. Sonst würden Sie als Frau nicht
zulassen, dass ein männlicher Kollege ein missbrauchtes Kind
runtermacht, um einen reichen Pinkel zu schützen!«
Warum habe ich nicht
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