Mensch, Martha!: Kriminalroman
Sofort!
»Sie sind hoffentlich nicht
böse, weil ich so hereingeschneit bin ...« Sein Blick fällt auf
ihre Beine und bleibt dort eine Sekunde haften. »Entschuldigen Sie
bitte ...«
»Nein! Ich entschuldige hier
überhaupt nichts! Was wollen Sie hier?« Martha redet mechanisch;
sie hört ihre eigene Stimme wie eine klanglose Computerstimme. Radspieler steht im Wohnzimmer meiner Eltern. Er spielt mit meiner
Tochter MEMORY .
»Mama, du störst! Ich bin am
Einsammeln!« Rebekka deckt ein Kartenpaar nach dem anderen auf.
»Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Ich wüsste nicht, worüber!«
In Marthas Mund versagen alle Speicheldrüsen gleichzeitig ihren
Dienst.
Radspieler wirkt verlegen. Es
ist ihm anzusehen, dass er nach den richtigen Worten im richtigen Ton
sucht. »Sie haben eine nette Tochter«, sagt er unvermittelt als
hoffte er, mit einer freundlichen Bemerkung die Situation
entschärften zu können.
Marthas Gesicht bleibt ohne
Mienenspiel. Sie steht da wie eine Bärenmutter, die zwischen sich
und ihrem Kind einen Todfeind ausgemacht hat. »Bitte gehen Sie!
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was es zwischen mir
und Ihnen zu besprechen gäbe!« Ganz bewusst vermeidet sie das Wort uns .
Rebekka schaut zwischen den
beiden hin und her. Sie ist enttäuscht darüber, weil ihr Spiel
so abrupt beendet wurde und irritiert, weil ihre Mutter so barsch mit
ihrem Spielpartner spricht.
»Hören Sie, Frau Morgenstern.
Ich sehe, es war falsch hierher zu kommen ...« Er dreht sich zu
Rebekka um. »Obwohl die drei MEMORY-Partien mit Ihrer Tochter
großen Spaß gemacht haben ...« Er zwinkert Rebekka zu.
Martha hört das Blut in ihren
Ohren rauschen, ein sicheres Anzeichen für einen Blutdruck über
200. Er tauscht vertraute Gesten mit Rebekka aus.
»Und ich hab jedes Mal
gewonnen!« jubelt Rebekka und wirft übermütig ein paar ihrer
eingeheimsten Karten in die Luft. »Wir haben um Geld gespielt!«
»Ich kam her, um mit Ihnen zu
sprechen ...« Er versucht einen erneuten Anlauf.
»Woher wussten Sie, dass Sie
mich hier finden würden?« will Martha wissen. Die Antwort auf diese
Frage erscheint ihr plötzlich wichtiger als alles andere auf der
Welt.
»Auf der Sandwich-Tüte Ihres
Kollegen hab ich den Aufdruck Metzgerei Morgenstern gelesen. Als ich
im Laden nach Ihnen fragte, war man so freundlich, mich
hereinzubitten. – Und dann ist wohl eine komische Situation daraus
geworden: Ich sitze hier und spiele mit Rebekka MEMORY.«
Martha zuckt innerlich
zusammen, als sie aus seinem Mund den Namen ihrer Tochter hört. Der
verdammte Becker mit seinen verdammten Sandwiches. Hoffentlich
ist mal eines mit Salmonellen dabei. Oder mit BSE-Erregern!
»Frau Morgenstern, fünf
Minuten?«
»Nicht eine. Wenn Sie über
Nicole Scherbaum oder den Schmierereien an Ihrem Garagentor
sprechen wollen, kommen Sie morgen auf unsere Dienststelle. Dort wird
man mit Ihnen reden. Wenn es sein muss, sogar länger als fünf
Minuten, Herr Radspieler!« Ich kann auch Nägel in ein Brett
schlagen.
Radspieler holt tief Luft und
lässt sie langsam aus sich heraus. Er nickt. »Okay. Ich verstehe
Sie.« Er wendet sich an Rebekka. »Mach’s gut, Rebekka!«
Sie steht auf, kommt auf ihn zu
und reicht ihm ihre Hand . Erwachsenen reicht man die Hand.
Ich verfluche dich, Mutter. Dich und deine Höflichkeitserziehung!
Riesengroß steht er neben
Rebekka. »Schade, unser Spiel war noch gar nicht zu Ende!«
»Du hättest sowieso wieder
gewonnen!« Er berührt Sie mit dem Zeigefinger an der Wange. Martha
zieht Rebekka zu sich her. Sie hat einen metallischen Geschmack auf
der Zunge. Vor fünf Tagen habe ich ihn wegen Kindsmissbrauch
verhört. Jetzt streicht er Rebekka über die Backe. »Verlassen
Sie das Haus. Sofort.«
Er macht mit den Händen eine
Bewegung, als hätte Martha die Dienstwaffe gezogen und auf ihn
gerichtet. »Ich bin weg!«
Martha begleitet ihn nicht nach
draußen.
Rebekka sammelt ihre
MEMORY-Karten ein. »Das fand ich jetzt ziemlich unfreundlich!«
bemerkt sie.
»Wo ist deine Schultasche? Wir
fahren nach Hause.«
»Den hast du aber ganz schön
abserviert«, sagt Barbara. Anscheinend hat sie gelauscht.
»Wer hat den eigentlich
hereingelassen?« fragt Martha verärgert.
»Na ich! Ich dachte, du
würdest pünktlich kommen. Ich hielt ihn für einen Kollegen von
dir. Und ich fand ihn nicht unsympathisch.« Barbaras unbekümmerte
Art gibt Martha den Rest.
»So. Du fandest ihn nicht
unsympathisch. Weißt du was? Er ist ungefähr so
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