Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mensch, Martha!: Kriminalroman

Mensch, Martha!: Kriminalroman

Titel: Mensch, Martha!: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klöck
Vom Netzwerk:
ärztliche
Hilfe für einen Nigerianer, der sich illegal in Deutschland
aufhielt und, wie sich später herausstellte, an einer Sepsis litt.
    Radspieler spürt instinktiv,
dass es hier um etwas völlig anderes geht.
    »Ich brauche einen Arzt. Für
ein Kind.«
    »Sie müssen konkreter werden.
Damit ich eine Vorstellung habe, was benötigt wird.«
    »Ein Mädchen, etwa sechs
Jahre alt. Sie bekommt kaum mehr Luft.«
    »Wer ist dieses Kind?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    Radspieler überlegt kurz.
»Warten Sie hier.«
    Er lässt den Mann im Vorraum
seiner Praxis stehen, holt aus der Wohnung Handy und Jacke, aus dem
Sprechzimmer seine Arzttasche.
    »Ich wüsste gerne, wohin es
geht«, sagt er, als er die Türe zuzieht.
    »Nach Freimann«, antwortet
Zeller kurz.
    Radspieler steigt zu ihm ins
Auto.
    »Was haben Sie mit dem Kind zu
tun?« fragt er während der Fahrt.
    »Sagen wir mal so: Es ist
vorübergehend in meiner Obhut.«
    Radspieler tippt auf
Kindsentziehung in einem Sorgerechtsstreit. Der Mann ist der Vater
oder ein Freund des Vaters. Das Kind wird versteckt, nachdem der
Mutter das Sorgerecht zugesprochen worden war.
    Zwanzig Minuten später stoppt
der Wagen vor dem alten Fabrikgelände. Buchbinderei
Schilling & Sohn liest Radspieler an der Hauswand. Die Farbe
ist verblasst, der Putz bröckelt ab.
    Claus Zeller schließt die
schwere Eingangstüre auf. Obwohl Radspieler glaubt, den Geruch von
Buchbinderleim in der Nase wahrzunehmen, begreift er sofort, dass
hier keine Bücher mehr gebunden werden. Mit einem kurzen Blick
versucht er sich im Gebäude zu orientieren, ehe ihn Zeller die
Treppe nach oben zu ehemaligen Büro dirigiert. Rechts ist eine
halboffene Tür, die in einen langgestreckten Raum führt. Die Möbel
dort stammen ganz offensichtlich vom Sperrmüll. Radspieler hört den
Jingle einer Sektwerbung, der ihn zu Hause manchmal hochschrecken
lässt, wenn er abends vor dem Fernseher eingenickt ist. Als Zeller
den Schlüssel im Schloss umdreht, fragt Radspieler: »Warum sperren
Sie das Kind ein? War es etwa die ganze Zeit alleine?« Spätestens
jetzt wird ihm klar, dass die Sache noch fauler ist, als er zunächst
angenommen hat.
    Er sieht das Mädchen erst gar
nicht, weil es auf dem Boden hinter dem Sessel liegt.
    »Du meine Güte, was ist denn
hier los?« sagt er mehr zu sich selbst, als er auf das Kind zueilt.
    Er geht in die Hocke. Die
Atmung des Kindes geht wie eine defekte Luftpumpe. Radspieler
rüttelt es vorsichtig an der Schulter. »Wie heißt du? Ich heiße
Markus. Ich bin ein Arzt. Ich werde dir helfen. Kannst du mir sagen,
was mit dir ist?«
    Rebekka keucht. Die U-Bahn will
ihrem Signal immer weniger folgen.
    Er blickt über die Schulter zu
Zeller. »Was ist mit ihr?«
    »Was weiß denn ich! Du bist
der Arzt, nicht ich! Mach was!«
    Radspieler nimmt das Mädchen
an den Schultern, setzt sie auf und lehnt sie gegen den Sesselrücken.
In diesem Moment erkennt er sie. Sie sieht ihn mit großen Augen an.
Ihr Mund öffnet sich. Sie will etwas sagen, aber er legt ihr zwei
Finger auf die Lippen und streicht ihr übers Haar. »Hab keine
Angst. Ich helfe dir.« Rebekkas Nicken ist kaum wahrnehmbar.
    »Sie hat einen Asthmaanfall.
Ich habe etwas dabei, aber ich fürchte, es ist nicht ganz das
Richtige!«
    »Gib es ihr!« bestimmt Zeller
hinter ihm.
    Radspieler zieht seine Jacke
aus, wirft sie auf das Sofa und lässt das Schloss seiner Tasche
aufschnappen. Er holt Spritze, Injektionsnadel und eine Ampulle
heraus. »Ich werde dir jetzt eine Spritze in den Arm geben.«
    Rebekka hasst Spritzen, vor
allem die in den Arm. Aber sie hat weder Mut noch Kraft zu
protestieren.
    Er schiebt ihren Ärmel hoch,
staut das Blut am Oberarm, klopft leicht in ihre Armbeuge und gibt
ihr die Injektion. Rebekka verfolgt jeden Handgriff. Dann löst er
den Stau und zieht die Spritze heraus. Ihre Atmung beruhigt sich.
    »Ich will zu Mama!« wispert
sie leise.
    Er streicht ihr über die Wange
und steht auf. »Ich weiß nicht warum, aber ich weiß, dass dieses
Mädchen gegen seinen Willen hier ist«, sagt er zu Zeller und greift
nach seiner Jacke. An der Türschwelle registriert er eine
weitere Person. »Und deshalb werde ich die Kleine mitnehmen, sie in
ein Krankenhaus bringen, wo man sie richtig versorgt. Sie wird mir
sagen, wer ihre Eltern sind. Ich werde sie benachrichtigen.«
    »Einen Scheißdreck wirst du
tun!« mischt sich Frank Zeller ein.
    Radspieler gibt sich
unbeeindruckt. Er schließt seine Tasche, hilft Rebekka auf die
Beine,

Weitere Kostenlose Bücher