Mensch, Martha!: Kriminalroman
mitgeben!«
Frank schlägt seinem Bruder
auf die Schulter. »Jetzt hat es doch was Gutes, dass du uns die
Ratte und den Doc angeschleppt hast.«
Gutgelaunt steigen sie ins
Auto. Claus fährt, Frank blättert die Kontoauszüge durch. Es
interessiert ihn, wie ein Mensch zu so einem Einkommen gelangt.
Seine eigenen Kontoauszüge sehen völlig anders aus. »Jede Menge
Leute haben Geld überwiesen. Das sind vielleicht diese
Privatpatienten. September ist Quartalsende, oder? Gespendet hat er
auch, an SOS-Kinderdorf. Das passt zu unserem Kinderfreund. Und an
die Afrikahilfe. Das müsste mir einfallen! Weil es ja bei uns nicht
genug arme Leute gibt!« Frank ist ganz beeindruckt von den Daten auf
den Kontoauszügen. »Unsereiner muss seinen Fernseher auf Raten
kaufen und sich dann einen Kopf machen, wie er die Raten blechen
soll. Und der schickt Geld nach Afrika!«
Gegen halb neun fahren sie an
Marthas Wohnung vorbei. Frank schaut nach oben. Hinter dem Fenster,
an dem vor drei Stunden Rebekka Ausschau gehalten hatte, brennt
Licht. »Und den Scheiß mit dem Briefumschlag vergessen wir.
Wahrscheinlich nimmt die Sache eh schon ihren Lauf. Den Anruf bei
unserer Kommissarin sparen wir uns. Wir lassen ihre Kröte laufen,
sobald wir mit dem Geld über alle Berge sind.«
Sie fahren in die übernächste
Straße, wo Frank seinen Wagen abholt.
Rebekka hat sich an Radspieler
gelehnt. Ihr Atemrhythmus entgleist langsam wieder.
»Rebekka, wie heißt das
Spray, das dir dein Arzt verschreibt?« fragt er. Das Sprechen fällt
ihm schwer.
»Simsalabim.«
»Sinulaprin. In einer blauen
Schachtel?«
»Ja, und die Schrift ist
orange.«
Radspieler schließt die Augen.
Das Dröhnen in seinem Kopf ist unerträglich.
»Rebekka, in einer der
Innentaschen meiner Jacke steckt ein Füller. Hol ihn heraus.«
Sie findet ihn in der linken
Tasche.
»Hast du Papier oder etwas
anderes, auf das man schreiben kann?«
Rebekka greift in ihre
Hosentasche. Sie holt zwei MEMORY-Karten hervor. Das
Gans-Pärchen.
Radspieler zieht die
Augenbrauen hoch. »Wie denn das? Schummelst du etwa?«
Rebekka wird rot. »Nur ein
bisschen. Ich nehme die Gänse vor dem Spiel an mich. Während des
Spiels schmuggle ich sie an Stellen, von wo ich sie mir schnell hole.
– Die Erwachsenen merken das nie.«
Radspieler lacht. »Okay. Die
Gänse sind perfekt. Jetzt nimmst du meinen Füller und schreibst...«
»Aber dann sind die Karten
verkritzelt!«
»Rebekka, ich kaufe dir morgen
ein neues Spiel. Versprochen.«
»Ich kann nicht mit Füller
schreiben. Wir lernen das erst nach Weihnachten.«
»Du kannst es bestimmt.«
»Aber dann wird es nicht
schön.«
»Das ist egal. Schreib auf die
erste Karte: alte Buchbinderei.«
»Aber Mama sagt, dass nur der
Besitzer mit dem Füller schreiben darf. Weil sich die Feder an seine
Handschrift gewöhnt hat. Sie leiht mir ihren Füller nie!«
»Deine Mama hat schon recht.
Aber das ist ein Notfall.«
Rebekka legt die Karte auf den
Boden, kniet sich hin und schreibt mit rundem Rücken.
»Schreib nicht zu groß. Es
muss Platz haben!« Jedes Wort, das er spricht, verursacht einen
Hammerschlag im Kopf.
»Alt ist ein Wie-Wort, gell?
Dann muss man es klein schreiben. – Oh je! Ich hab die Tinte
verschmiert!«
»Egal.«
»Und was schreibe ich auf die
zweite Gans?«
»Schilling in Freimann.«
»Kannst du mir Schilling
andiktieren?«
»S-C-H-I-L-L-I-N-G.”
»Freimann – ist das ein
Wort?”
»Ja.«
Sie zeigt ihm die Karten.
»Das hast du gut gemacht.«
»Und jetzt?«
»Jetzt steckst du sie mir in
die Hosentasche.«
»Und jetzt?«
»Jetzt warten wir, bis die
beiden zurückkommen.«
Rebekka schiebt sich an seine
Seite. »Mir wäre es aber lieber, die würden nicht wiederkommen.«
Die Luft in ihren Bronchien rasselt. »Weißt du, was ganz schlimm
ist?«
»Hmm?«
»Ich muss aufs Klo.«
Radspieler hört zwei Autos kommen. Wagentüren
schlagen zu. Die Haustür wird aufgeschlossen. Mit viel Mühe rappelt
er sich hoch. Er geht zur Tür und schlägt mit dem Fuß dagegen.
»Was machst du da?« fragt
Rebekka erschrocken.
»Aufmachen!« schreit er.
Der Schlüssel dreht sich im
Schloss.
»Was willst du?« fragt Frank
Zeller.
»Lass die Kleine auf die
Toilette!«
»Also los, komm!« Er
unterstreicht seine Aufforderung mit einem Pfiff, als würde er einen
Hund rufen.
Rebekka versteckt sich hinter
Radspieler. »Nein, mit dem mag ich nicht mitgehen!«
»Mach hier keinen
Zwergenaufstand!« herrscht Zeller sie an.
»Geh mit,
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