Menschen im Mond
meine die Gezeiten, den Wechsel zwischen Ebbe und Flut. Mit dem Mond läuft täglich eine Flutwelle und eine Gegenflutwelle um die Erde, und in jeder werden riesige Wassermengen bewegt. Die gesamte technische Energie der Erde könnte nicht ein einziges Mal diese beiden Flutwellen um die Erde herumtreiben. Es sind also beträchtliche Energien im Spiel, für die der Mond direkt oder indirekt verantwortlich zeichnet.“
„Die Anziehungskraft des Mondes“, warf Bill Brown sachverständig ein, aber Nicholas Gorman schüttelte den Kopf.
„Das ist natürlich Unsinn, Bill. Die Anziehung des Mondes beträgt an der Erdoberfläche ungefähr den neunmillionsten Teil der gleichzeitig wirkenden Erdanziehung. Selbst wenn man Aufschaukelungen und andere Hilfsbegriffe heranziehen würde, wäre es phantastisch, zu glauben, daß der Mond gegen die neunmillionenfach stärkere Anziehung des Erdinnern mächtige Wassermassen und Flutberge aus den Ozeanen herausziehen könnte. Nein, es stand schon immer fest, daß die Beeinflussung anderer Natur sein mußte. Dabei lag nichts näher als die Vermutung, daß die irdische Schwerkraft beeinflußt wird, etwa so, daß sie jeweils zwischen Erde und Mond merklich geringer wird, so daß also die Wassermassen nicht mehr vom Erdinneren auf Normalniveau gehalten werden, sondern heraustreten können. Damit ist also nicht an jene Differenz von einem Neunmillionstel gedacht, sondern an eine viel stärkere Abschwächung der irdischen Schwerewirkung durch eine vom Mond ausgehende Strahlung. Die merklichen Veränderungen der Schwerkraft synchron mit dem Mondumlauf sind schon seit Jahrzehnten naturwissenschaftlich bekannt und anerkannt, aber an die Schlußfolgerungen hat man sich noch nicht herangewagt. Das ist verständlich, denn sie zielen darauf hin, dem Mond eine noch unbekannte strahlende Energie zuzubilligen.“
„Wie kommt der Mond dazu, Schlafende aufs Dach zu locken und all diese Dinge?“ fragte Humphrey Redford ein wenig ungehalten.
„Damit beginnt das wissenschaftliche Problem. Man wird sich zunächst fragen müssen, ob ein physikalischer oder ein nichtphysikalischer, sagen wir, ein magischer Einfluß vorliegt. Die seelischen Wirkungen lassen einen magischen Einfluß vermuten, aber bei Ebbe und Flut kommt man mit Magie nicht weit. Es muß sich schon um etwas Physikalisches handeln. Dabei liegt bei den gegebenen Entfernungen auf der Hand, daß die unmittelbare Ursache nur eine durch den Raum kommende Strahlung sein kann. Eine solche Strahlung könnte künstlich erzeugt werden oder als natürliche Strahlung einer Substanz auftreten. Ich hatte also die Wahl zwischen hochzivilisierten Mondbewohnern, die damals gänzlich unmöglich erschienen und einer strahlenden Mondsubstanz. Die Entscheidung mußte notgedrungen zugunsten der Substanz ausfallen, nachdem in den letzten Jahren gelegentlich Diaselen gefunden wurde.“
„Sie hätten das schneller sagen können“, tadelte Redford blinzelnd. „Ich habe nicht die Absicht, auf meine alten Tage noch zu lernen, wie ihr euch etwas zurechtlegt. Ein verrücktes Zeug, dieses Diaselen, nicht?“
„Nun, es besitzt genau die vermuteten Charakteristiken. Es emittiert eine bisher unbekannte Delta-Strahlung, die vorwiegend biologisch und psychologisch wirkt, aber auch in merklichem Ausmaße die Schwerkraft verringert. Allein schon die technische Wirkung macht es verständlich, daß es gegenwärtig der kostbarste Stoff auf der Erde ist. Vermutlich wird man es eines Tages noch mehr deshalb schätzen, weil es neuartige Möglichkeiten bietet, Menschen und Völker ohne ihren Willen zu beeinflussen.“
„Gar nicht so dumm!“ kicherte Redford. „Und Sie denken nun, daß Sie dieses Diaselen in Massen auf dem Mond finden?“
„Sicher“, warf Bill Brown ein. „Und damit sind wir wohl an dem Punkt, an dem wir anfangen können, geschäftlich zu verhandeln. Wir sind bereit …“
„Bitte nicht, Bill“, fing Nicholas Gorman sanft ab. „Du übersiehst, daß Mr. Redford bereits zehn Millionen bedingungslos bereitgestellt hat. Er wird sich mehr für die Mondmenschen interessieren.“
Bill Brown lachte kurz und grimmig auf.
„Du ahnungsloser Engel! Mr. Redford wird keinen Dollar herausrücken, bevor er nicht seinen Vertrag hat. Und den Vertrag macht er zusammen mit seinen Juristen, wobei einer raffinierter sein will als der andere.“
„Was sonst?“ fragte Redford grämlich. „Habe ich mein Geld gestohlen? Aber Gorman bekommt die zehn Millionen, die ich
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