Menschen im Mond
„Immerhin müßten wir wenigstens ungefähr die Richtung – wo ist denn eigentlich die Sonne?“
Sie blickten alle nach oben. Himmel und Landschaft waren ungefähr so hell wie in einer sehr hellen irdischen Mondnacht, aber von der Sonne war nichts zu sehen. Sie konnten nichts anderes erwarten, und sie begriffen es, als sie sich daran erinnerten, daß in diesen Tagen über der Erde nur ein Halbmond hing. Nur Charles Boswell zog es vor, zu fragen, statt zu reden, und kam daraufhin mit den beiden Mondbewohnern in ein Gespräch, dessen Inhalt ihn verblüffte.
„Sie wissen überhaupt nicht, was die Sonne ist“, teilte er den anderen mit. „Sie sagen, daß das Licht von Gott kommt. Er öffnet langsam sein einziges Auge, blickt einige Tage lang zu ihnen hinab und schließt es dann langsam wieder, um es einige Tage geschlossen zu halten. Das Ganze dauert immer ungefähr vier Wochen, und die Mondbewohner passen sich entsprechend an. In der dunklen Zeit schlafen sie eine ganze Woche lang, während sie in der hellen Zeit eine Woche lang überhaupt nicht schlafen.“
„Was denn, wie denn?“ schnaubte James B. Connor erregt. „Wieso wissen sie nichts von der Sonne? Sie wissen doch, daß wir von der Erde kommen? Sie müssen doch wissen, wie die Welt aussieht? Fragen Sie bitte.“
Boswell hielt ein längeres Gespräch, bevor er hilflos verzichtete.
„Es muß ein Tabu sein. Ich glaube, dieser Lollopappa weiß ungefähr Bescheid, aber der andere nicht, und er darf auch nichts erfahren. Ein Geheimwissen! Canopy glaubt wirklich, daß die Sonne ein Gott ist und daß das Licht aus dem Auge Gottes kommt. Wir sind für ihn Lebewesen aus einer Art Hölle, die sich irgendwo unter dem Mondboden in der Tiefe oder auf der schwarzen Außenseite befindet.“
„Unglaublich!“ stöhnte James B. Connor. „Ich verstehe nicht, wie so etwas möglich ist. Dieser Canopy kann doch unmöglich solche Märchen glauben, während sein Nachbar Bescheid weiß. Sie haben doch sicher Bücher, Schulen, Universitäten. Fragen Sie doch einmal.“
Charles Boswell fragte. Lollopappa redete viel und entschieden. Boswell stellte weitere Fragen und wandte sich an den Professor.
„Wie ich schon sagte – es ist etwas Verbotenes dabei. Sie haben weder Bücher noch Schulen noch Universitäten. Nur die Priester wie Lollopappa werden an Plätzen, die kein gewöhnlicher Mondbewohner betreten darf, ausgebildet. Naturwissenschaft gibt es überhaupt nicht. Wer davon anfängt, wird getötet oder eingemauert.“
James B. Connor starrte ihn benommen an.
„So? Nun, dann sagen Sie den beiden, daß diese Zeiten vorbei sind. Ich werde dafür sorgen, daß …“
Er fand die richtige Formulierung nicht mehr. Die anderen drängten zum Einstieg.
* *
*
Sie folgten den Weisungen des Mondfunkers und landeten eine halbe Stunde später auf einem ebenen Platz in der Nähe einer ausgedehnten Stadt, die von oben wie ein kunstvolles farbiges Mosaikwerk mit eingelegten, geometrisch gezirkelten Kurvenschlitzen aussah. Als sie ausstiegen, waren sie schwer bewaffnet. Philip Dooley, der sich ebenso wie Dudley Digges sogar eine Maschinenpistole umgehängt und einige Handbomben in die Taschen gesteckt hatte, war diesbezüglich hartnäckig gewesen. Selbst Nicholas Gorman hatte wenigstens eine Pistole eingesteckt.
Sie fanden keinen großen Bahnhof. Drei Männer kamen über den leeren Platz, während sie ausstiegen, und nur einer von ihnen hatte etwas zu sagen. Alle drei unterschieden sich kaum von denen, die sie schon kennengelernt hatten. Hübsche kleine Wagen, gezogen von geschmückten Ponygespannen, näherten sich. Sonst blieb der Platz leer. Die Landung der Erdbewohner war offenbar nicht bekanntgemacht worden.
Der Sprecher der drei erklärte Charles Boswell, daß König Lullababoo der Achtundfünfzigste die Fremden zu sehen wünsche und daß sie in die Wagen steigen möchten.
Sie hatten nichts dagegen einzuwenden. Jeder hatte seinen Wagen für sich. Für ihre Gliedmaßen waren es Kinderkutschen, aber sie hielten aus.
Vermutlich hatte der König seine Prunkwagen zur Verfügung gestellt, denn sie waren reichlich mit goldenen Leisten und zahlreichen Steinen in verschiedenen Farben geschmückt.
Dudley Digges interessierte sich immer noch für die Steine. Noch vor der Stadt drehte er sich zu Brown, der hinter ihm fuhr, herum und fragte:
„Woran merkt man überhaupt, ob man Diamanten in den Fingern hat?“
„Am Wehgeschrei des
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