Menschen und Maechte
amerikanischer Interessen und Zielsetzungen sehr begrenzt bleiben wird.
Aber solche Erfahrungen liegen noch in der Zukunft. Einstweilen sind der enorme wirtschaftliche Aufschwung Japans wie auch der neu industrialisierten Staaten Ost- und Südostasiens und die wirtschaftspolitische Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping verführerische Entwicklungen. Die Blickwendung vieler Amerikaner in Richtung auf die Gegenküsten jenseits des Pazifik ist eine Tatsache. Die Europäer tun gut daran, sich darauf einzurichten, weil sie ihren Einfluß auf das weltpolitische Denken und Verhalten der USA behalten müssen. Deshalb habe ich seit 1976 die Minister des Bundeskabinetts und meine Mitarbeiter immer wieder aufgefordert, bei Amerikabesuchen nicht nur nach Washington und New York zu gehen, sondern ebenso in den Westen und in den Süden des Landes. Ich selbst habe mich – auch als Bundeskanzler und trotz aller Terminnot – ebenfalls danach gerichtet.
Viermal Amerika: Talkshows, oft von exzellent informierten, urteilsfähigen Journalisten moderiert, bestimmen längst schon die politische öffentliche Meinung des Landes.
Tradition an der Ostküste – »Commencement Speech« in Harvard (Aufnahme aus dem Jahr 1979, als Helmut Schmidt, rechts vom Rednerpult, die Ehrendoktorwürde erhielt).
Abb 14 Kranzniederlegung am Grabmal des Unbekannten Soldaten auf dem Nationalfriedhof in Arlington.
Helmut Schmidt als Gast im Bohemian Grove, Juli 1982; rechts neben Schmidt Alexander Haig, Gerald Ford (rechts über Haig), George Shultz und Henry Kissinger; in derselben Reihe sitzend, ganz links, Lee Kuan Yew.
Bei einem dieser Besuche in Kalifornien im Juli 1979 lud mich George Shultz ein, während des traditionellen alljährlichen Sommerlagers sein Gast im Bohemian Grove zu sein. Dieses Wochenende brachte mir eine der erstaunlichsten Erfahrungen, die ich je in den USA gemacht habe. Später bin ich noch ein zweites Mal im Bohemian Grove gewesen, und meine Eindrücke haben sich noch vertieft.
Die Landschaft, in der sich das »encampment« vollzieht, ist von ungewöhnlicher Schönheit. Es handelt sich um ein wenige hundert Meter breites und mehrere Kilometer langes Tal, das an beiden Hängen und auf der Talsohle von ehrwürdigen, teils tausendjährigen Sequoien bewachsen ist. Zwischen den locker gruppierten Wipfeln kann man zwar den Himmel ausmachen, nicht aber den Horizont. Es herrscht große Ruhe, von keinem Auto gestört; nur von Zeit zu Zeit dringt von irgendwoher Musik. Einige Pfade durchziehen das Tal, ebenso ein Bach, der das Wasser aus einem kleinen See in den Russian River am Fuß des Tales leitet (der Name des Flusses erinnert an die Zeit, als Alaska zu Rußland gehörte und russische Jäger und Siedler nach Süden fast bis in die Mitte Kaliforniens vorgestoßen sind). Von früheren Besuchen in Kalifornien kannte ich die Sequoia-Bestände der Muir Woods nördlich der Golden Gate Bridge; sie hatten mich immer fasziniert. Das Bohemian Grove ist demgegenüber ein kleiner Bezirk; aber allein die Schönheit der Natur lohnt die lange Autofahrt.
Interessanter noch ist die Zusammenkunft der Männer (Frauen sind nicht zugelassen) in diesem Böhmischen Wäldchen; es hat seinen Namen übrigens von dem exklusiven Bohemian Club in San Francisco, dessen Mitgliedschaft man nur nach langer Wartezeit erwerben kann. Man lebt im Grove nicht in einem großen gemeinsamen Lager; die etwa zweitausend Männer, die gemeinsam jenes
Wochenende dort verbrachten, wohnten vielmehr in fünf oder sechs Dutzend kleiner, weitgehend von Bäumen und Büschen verdeckter Camps, die verstreut an den Hängen liegen. Einige Camps bestehen aus Blockhäusern, andere aus Holzhütten, wieder andere waren Zeltlager; es gibt elektrisches Licht und fließendes Wasser. Die Mahlzeiten sind einfach und deftig, aber gut zubereitet. Fast alle tragen bunte, zum Teil himmelschreiend karierte Hemden und Hosen – so wie sich Amerikaner anziehen, wenn sie in die grüne Natur gehen. Die Bewohner der Camps besuchen sich gegenseitig, sei es der musikalischen Darbietungen wegen (einige spielen sehr guten Dixieland, andere klassisches Quartett), sei es aus Gründen der Geselligkeit oder für einen kleinen Schwatz. Überall herrscht eine ungezwungene und fröhliche Atmosphäre.
Im Juli 1979 gab es auch zwei oder drei gemeinsame Veranstaltungen am Ufer des Sees und in kleinen Freilichttheatern, die in den bewaldeten Hang hineingebettet sind. Am Ufer des Sees findet der »Lakeside speech«
Weitere Kostenlose Bücher