Menschen und Maechte
Hinweis auf die hohen Zinsen in den USA: »Die Ursache dafür liegt bei den Banken in Wall Street; die wollen einfach nicht glauben, daß wir die Inflation besiegt haben.« Daß die amerikanischen Hochzinsen in anderen Teilen der Welt zur Unterlassung von wachstums- und beschäftigungspolitisch notwendigen Investitionen führten, leuchtete ihm genausowenig ein wie die Gefahr, daß die gewaltig anwachsende Zinslast der hoch an das Ausland – und vor allem an die USA – verschuldeten Staaten von Mexiko und Brasilien über Nigeria bis Polen bedeutende Schuldnerstaaten dazu zwingen könnte, die Zahlungsunfähigkeit zu erklären. Das Zinsproblem und seine Auswirkungen auf die Weltwirtschaft interessierte die Reagan-Administration bis Ende 1984 nicht sonderlich.
Meine Sorgen in den Jahren 1981 und 1982 wurden von Burns, Volcker und Kirkland zwar weitgehend geteilt, wobei Burns etwas optimistischer war; aber das Weiße Haus und das Finanzministerium ließen sich nicht beirren. Ihnen war bis Anfang 1985 auch der ansteigende Dollarwechselkurs gleichgültig, der die amerikanischen Waren für die ganze Welt empfindlich verteuerte und deshalb die amerikanische Industrie einen Teil ihrer Auslandsmärkte verlieren lassen mußte. Dieser Kursanstieg mußte aber in absehbarer Zeit des entstehenden Handelsdefizits wegen zusammenbrechen. Das Finanzministerium unter Regan verweigerte Volcker selbst geringfügige Währungsinterventionen, die zur Vermeidung kurzfristiger erratischer Wechselkursschwankungen und zur Gewährleistung ordentlicher Marktabläufe dringend erwünscht waren.
Erst im Laufe des Jahres 1985 wachte man auf, nachdem James Baker an die Stelle von Donald Regan getreten war; aber inzwischen hatte das Wachstum der amerikanischen Volkswirtschaft deutlich nachgelassen. Nun war es fast zu spät. Von Februar 1985 an ging der Dollarkurs schnell zurück; er lag im Frühjahr 1987 fast wieder auf dem gleichen Tiefpunkt, den er schon einmal unter Carter erreicht hatte. Eine rasche Gesundung der amerikanischen Handels- und Leistungsbilanz war nun nicht mehr zu erwarten. Deshalb tauchte 1985 und 1986 abermals die Seeschlange der Lokomotivtheorie auf; Reagan persönlich forderte im Sommer 1986 von allen Partnern der USA Steuersenkungen. Er selbst und der Kongreß waren gerade mit einem tiefgreifenden Umbau des amerikanischen Steuersystems befaßt, der allerdings den schweren Fehler hatte, daß er nach erklärter Absicht keinen einzigen Dollar zusätzlich in die defizitäre amerikanische Staatskasse fließen ließ.
Die Forderung Reagans richtete sich vor allem an Japan und Deutschland; zwar besaß er wegen der eigenen ökonomischen Politik der USA dazu keine politische Legitimation, aber jetzt, da die mühelosen Exportzuwächse in Richtung USA zu Ende gehen würden, lag es im eigenen Interesse Japans und Deutschlands (auch Hollands und anderer bisheriger Überschußländer), durch Lockerung sowohl ihrer Haushalts- als auch ihrer Geldpolitik für binnenwirtschaftliches Wachstum zu sorgen. Aber die Regierungen beider
Länder, geschockt durch das schlechte budgetäre Beispiel der USA seit 1981, waren inzwischen von einer übertriebenen Sparideologie befallen. Sie hatten überdies noch immer kein Vertrauen in die Kontinuität der amerikanischen Wirtschaftspolitik, zumal sie auf den Märkten für Textilien, Agrarprodukte, Stahl, Röhren, Autos, Telekommunikation und so weiter den egoistischen Herrschaftswillen der »économie dominante« und den amerikanischen Eventualvorsatz zum Regelverstoß bitter erfahren hatten.
Seit dem Vietnamkrieg und der Preisgabe des Weltwährungssystems von Bretton Woods haben die USA die wirtschaftspolitische Führungsrolle in der Welt verloren. Sie waren nicht in der Lage, die Chance der alljährlichen Weltwirtschaftsgipfel (oder der alljährlichen IMF-Tagungen) zur Rückgewinnung der Führung zu nutzen, weil sie kein Konzept entwickeln konnten; so hatten die Weltwirtschaftsgipfel lediglich den recht begrenzten Erfolg, noch Schlimmeres verhütet zu haben. Aber auch die Europäische Gemeinschaft hat nicht vermocht, Führung auszuüben; sie verlor im Zuge ihrer Erweiterung von sechs auf zwölf Mitglieder schrittweise die Fähigkeit zu einer gemeinsamen ökonomischen Willensbildung.
Meine Versuche, 1981 und 1982 meinen amerikanischen Freunden ein Gefühl für die weltweiten Auswirkungen des amerikanischen ökonomischen Handelns zu geben, sie zur Einsicht in die destabilisierenden politischen Gefahren
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