Menschen und Maechte
Marktpreis sein, dem Wettbewerb der Betriebe ausgesetzt, und möglicherweise auch stark schwanken.
Ich fragte des näheren nach der Globalsteuerung. Ja, natürlich müsse der Staat den Wechselkurs des Yüan festsetzen, hieß es, im übrigen aber werde das globale Gleichgewicht durch einen ausgeglichenen Staatshaushalt und durch ausgeglichene Zahlungsbilanzen hergestellt werden; von Geldpolitik in unserem Sinne war nicht die Rede. So fragte ich unumwunden danach und wies auf die Tatsache hin, daß der Staatshaushalt Chinas zur Zeit ja keineswegs ausgeglichen sei. Werde das Defizit nun aus der privaten Sparrate finanziert oder von der Notenbank? Ohne Umschweife sagte man, nein, durch Kredite der Volksbank, auf der Basis privater Einlagen. Dies kam mir nicht plausibel vor; ich hakte deshalb nach und
fragte, wie hoch denn die Sparrate sei. Eine Auskunft darüber schien jedoch nicht möglich zu sein. In Wirklichkeit gab es längst eine beträchtliche Inflation.
Ein paar Tage später ging es im Gespräch mit Ministerpräsident Zhao Ziyang natürlich um die gleichen Fragen, denn er ist der entscheidende Mann für die Verwirklichung der Wirtschaftsreform. Ich besuchte ihn in einer prächtigen kaiserlichen Empfangshalle, dem »Zentrum der Macht«, wie er – nur halb im Scherz – sie nannte. Es war der 26. September, an dem wir über seine bevorstehenden »Reformen der ökonomischen Struktur« sprachen; am 20. Oktober wurden sie vom Zentralkomitee akzeptiert.
Ich beglückwünschte Zhao Ziyang zu dem enormen Fortschritt, den China ganz unverkennbar in den letzten neun Jahren gemacht hatte. Zhao Ziyang sprach von der »großen historischen Wende« des Jahre 1979. Als ich einige Monate später den formellen Beschluß des Zentralkomitees studierte, sah ich, daß in seinem Kopf alles Wesentliche bereits festgestanden hatte.
Mir hat er die Situation folgendermaßen beschrieben: »Die historische Wende begann mit einer Öffnung nach außen. Früher hatten wir das Vertrauen in die eigene Kraft zu sehr betont. Jetzt haben wir den Zustand der Abkapselung beendet. Zum anderen haben wir uns die Steigerung der Produktivität der Wirtschaft und die Anhebung des Lebensstandards zur Hauptaufgabe gemacht. Solange kein äußerer Angriff auf die Volksrepublik China stattfindet, so lange wird es dabei bleiben. Die Wirtschaftsstrukturreform hat 1979 mit der Landwirtschaft begonnen, und dort war sie erfolgreich. Jetzt werden wir sie auf die städtische Wirtschaft übertragen. Was wir wollen, ist ein Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten. Die Betriebe müssen größeren Spielraum bekommen. Selbstverständlich gehen wir vom Wertgesetz aus und wenden es an. Wir hoffen nicht nur auf Erfolg, wir sind uns seiner sicher.«
Es werde schwierig sein, wandte ich ein, nach so vielen Jahren der totalen Lenkung die Unternehmensleitungen an größere Selbständigkeit und die Partei- und Staatsbürokratie an größere Abstinenz zu gewöhnen.
Zhao stimmte zu: »Das sind ja gerade die Probleme, die die
Reform lösen muß. Sie wird den Betrieben durch größere Entscheidungsbefugnisse einen weiteren Spielraum und dadurch mehr Vitalität geben … Entweder sind die Unternehmensleiter dazu fähig und waren bisher nur in ihrer Dynamik durch die alte Struktur gehemmt; dann können sie sich jetzt entfalten und bewähren. Oder aber sie zeigen sich unfähig zur Selbständigkeit; dann müssen sie gehen.« Doch was geschieht dann? »Es gibt in den Betrieben genügend fähige und ehrgeizige Personen, dann müssen wir eben sie auf die leitenden Posten berufen. Das Bedürfnis nach fähigen Betriebsführern wird sich in jedem Betrieb bemerkbar machen. Denn wenn die Leitung versagt, geht es den Arbeitern schlecht. Die Arbeiter selber werden also dafür sorgen, daß fähige Leute an die Spitze kommen. Wir bemühen uns, neue Führungskräfte und Manager heranzubilden, die nicht nur Empfänger von Direktiven sind; wir haben darin schon erhebliche Erfolge erreicht. Seien Sie sicher, der Fortschritt wird weitergehen.«
Ich fragte, ob und wieweit die staatlichen Organe von der Reform ergriffen würden. »Im nächsten Monat werden wir auch die Reform der Partei- und Staatsbürokratie anpacken. Die staatliche Verwaltung wird in Zukunft nicht mehr in dem bisherigen Maße in die Wirtschaft eingreifen. Und, besonders wichtig, in den Betrieben werden die Parteiorgane nicht mehr wie bisher das höchste Gremium bilden. Die Verantwortung wird demnächst bei den Betriebsleitungen
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