Menschenfänger
Alter. Das Blut kommt nicht aus dem Bauch. Er hat die Hand erwischt.«
Tränen stiegen in Nachtigalls Augen, er lachte befreit und rappelte sich wieder auf. Skorubski griff nach der ausgestreckten Hand des Freundes und zog sich auf die Beine.
»Mann, Albrecht!«
»Wieso ist denn die Tür wieder zugegangen? Hätte er freies Schussfeld gehabt, wäre ich nicht mit dem Leben davon gekommen. Ich stand ja direkt in der Schussbahn.«
»Ich habe sie zugestoßen. Rufen konnte ich nicht. Paula Brusching lebt. Wollen wir hoffen, dass die Hilfe für sie nicht zu spät kommt.«
»Und du hattest mal wieder recht. Windisch hatte diese Frau also gar nicht entführt. Aber Brusching eben auch nicht!«
»Aha. Woher willst du das wissen?«
»Was?«
»Woher willst du wissen, dass Brusching nichts mit der Sache zu tun hat?«
»Ich denke, der sitzt bei uns im Büro und übt mit Emile die Rolle des Bittenden. Der Windisch sitzt in seiner Zelle, und deshalb muss da drinnen ein anderer Täter sein.«
Peter Nachtigall lachte kehlig. »Und damit kann man heutzutage Hauptkommissar werden?« Vorsichtig half er Skorubski die Treppe hoch und setzte ihn in der Küche auf einen Stuhl.
»Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass ich etwas übersehen habe – und plötzlich ist es mir eingefallen: Der Schlüssel! Wir hätten bei Paula Brusching den Schlüssel von Franka Lehmann finden müssen. Haben wir aber nicht – weil der Entführer von diesem Detail nichts wusste und auch den Schlüssel nicht hatte!«
»Stimmt! Das mit dem Schlüssel hatte ich vor lauter Hektik völlig vergessen!«
»Ich gehe wieder runter. Mach ja keine Dummheiten!«
Michael Wiener hatte Paula Brusching die Fesseln abgenommen. Dankbar atmete sie befreit. So sehr sie es auch gewollt hätte, sie konnte nicht sprechen. Nur ein Krächzen war zu hören.
»Das wird wieder, Frau Brusching. Der Rettungswagen bringt Sie jetzt ins Krankenhaus, und später kommen wir noch bei Ihnen vorbei.« Sie drückte seine Hand. Wiener strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
»Wie geht es ihr?«, wollte Nachtigall wissen, und Wiener antwortete ausweichend: »Sie kann ja noch nicht sprechen.«
Draußen waren Sirenen zu hören.
»Und unserem Romeo?«
Wiener deutete in eine Ecke. Er hatte den Strahl seiner auf dem Boden liegenden Taschenlampe direkt auf den Entführer gerichtet, so dass dieser keine unbemerkte Bewegung machen konnte, während er Paula Brusching befreite.
»So. Ihr Abtransport ist auch gesichert.«
»Ha!«
Peter Nachtigall sah sich das junge Gesicht genauer an.
»Stimmt was nicht? Sie haben Blut an der Schulter!«, stellte er dann alarmiert fest.
»Bullen erschießen unschuldiges Opfer!«, höhnte M. Lukas.
Sanitäter mit einer Trage kamen in den Keller und sicherten Frau Brusching für den Transport. Während sie die geschwächte Frau hinauftrugen, wartete oben schon ein zweites Team, das den Entführer mitnehmen würde.
Als Nachtigall mit Michael Wiener in die Küche kam, fanden sie dort Albrecht Skorubski blass und bandagiert vor. Der Notarzt klopfte ihm gerade auf die Schulter und meinte aufmunternd: »In Ihrem Alter wird der Heilungsprozess wohl eine ganze Weile dauern. Ist eben nicht wie bei den Jungen, da müssen Sie schon ein paar Wochen Ruhe einplanen.«
Peter Nachtigall lachte, und der Notarzt drehte sich um. »Ach, Sie kenne ich. Ist noch gar nicht so lange her, da habe ich Sie verarztet, nachdem Sie so ein junges Bürschchen aus dem Gestänge der F60 gerettet hatten. Ich erinnere mich noch: Üble Hautabschürfungen, Bänderdehnungen an den Fuß- und Handgelenken, Hämatome überall. Und – funktioniert alles wieder?«
»Ja. Geht schon. Aber mein junger Kollege hier ist so grün«, meinte der Hauptkommissar dann mit einem besorgten Seitenblick auf Michael Wiener.
»Stimmt. Setzen Sie sich mal hierher auf diesen Stuhl, junger Mann. Und Sie, Herr Nachtigall – so war doch der Name, nicht wahr – Sie setzen sich auch. Da läuft nämlich Blut über ihren Nacken. Das werde ich mir auch noch ansehen.«
Michael Wiener wankte zum Stuhl und setzte sich seufzend.
»Oh – ein Schock«, stellte der Notarzt zufrieden fest. »Ihre erste Schießerei?«
Wiener nickte.
»Und gleich getroffen?«
»Ja.«
»Kein Wunder«, er las die Blutdruckwerte von der Skala ab, runzelte die Stirn und räumte die Blutdruckmanschette in seine Instrumententasche.
»Ziemlich niedrig. Wenn Sie sich schlechter fühlen, sollten Sie sich hinlegen und die Beine hoch lagern.«, wies
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