Menschenfänger
er arbeitet für Brandenburg!«, mahnte der Hundebesitzer freundlich, was den Hund allerdings nicht beeindruckte.
Erst als sich die beiden Männer im Wintergarten in zwei Sesseln niedergelassen hatten, beruhigte sich auch Attila und versuchte mit mäßigem Erfolg, sich unauffällig unter dem Tisch verschwinden zu lassen.
»Stört Sie der Hund?«
»Ach was. Es ist ein schönes Tier«, lobte Couvier.
»Na ja, schön ist er schon, aber noch unerzogen und zu lebhaft. Er ist noch kein Jahr alt und probiert sich noch aus. Aber wenn es sie nicht stört, erlaube ich ihm, hier bei uns zu bleiben. Eigentlich«, vertraute er dann dem Gast an, »müsste er jetzt raus in den Garten und das Haus bewachen. Attila ist aber viel lieber hier bei uns, weil er glaubt, er könnte eine spannende Geschichte verpassen. Er lauscht nämlich!«
Frau Schmolk brachte ein Tablett mit Tee und Gebäck, verabschiedete sich mit einem Kuss von ihrem Mann und verkündete, sie gehe nun zum Einkaufen.
Dr. Schmolk goss Emile eine Tasse Tee ein und reichte ihm den Teller mit Keksen.
»Sie möchten sich mit mir über Klaus Windisch unterhalten?«
»Ja – Sie haben sicher in den Nachrichten verfolgt, dass er entflohen ist und wir davon ausgehen müssen, dass er wieder mordet. Erinnern Sie sich an ihn?«
»Oh ja. Solch einen Menschen trifft man nur einmal im Leben und vergisst ihn nie. Er steckte so voller Hass und Aggressivität! Doch nach außen gab er sich stets ruhig und überlegen.«
»Warum hat er damals diese beiden Frauen umgebracht?«
»Ich würde Ihnen gerne eine einfache Antwort anbieten – doch ich fürchte, die gibt es nicht. Er träumte davon, etwas zu tun, was sonst keiner konnte. Vielleicht hätte er genauso gut Erfinder werden können statt Mörder. Wenn es ihm gelungen wäre, eine einzigartige Maschine zu entwickeln, die von den Menschen mit Begeisterung aufgenommen würde, hätte ihm das möglicherweise ebenfalls genug Bestätigung eingebracht. Warum er nun gerade Frauen tötete, mag durchaus mehrere Gründe haben. Schließlich muss er irgendwann während dieser psychopathologischen Entwicklung die Entscheidung gegen Männer und für Frauen als Opfer getroffen haben.«
»Frauen sind schwächer, können sich in der Regel nicht so gut wehren – er ist ja nun auch kein Riese.«
»Ja – das ist alles richtig. Aber er hätte sich ja schwächliche Männer aussuchen können. Nein, er wollte Macht über Frauen. Die Dominanz seiner Adoptivmutter musste geknackt werden! Stets hatte er sich ihr unterlegen gefühlt und gespürt, dass ihr Mann sich auch nicht gegen sie auflehnen konnte. Frauen stehen für das, was Männer begehren – er besitzt es und bricht die Macht der Frau, indem er sie tötet.«
»Er besitzt sie aber nicht vollständig. Sperma wird stets nur entfernt von den Körpern gefunden.«
»Oh ja. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Er gibt ihnen nicht, was sie glauben, bekommen zu müssen. Indem er ihnen den letzten Akt vorenthält, entmachtet er die Frau, die glaubt, in diesem Bereich für den Mann unersetzlich zu sein. Er diskriminiert sie. Er rasiert ihnen alle Haare ab – macht sie klein, wehrlos und unansehnlich. Jeder Schritt dient der absoluten Entwürdigung.«
»Er leidet demnach nicht an einer sexuellen Dysfunktion?«
»Nein. Das halte ich für unwahrscheinlich. Natürlich würde er mir das nicht erzählt haben – er gab nur preis, was ihn in seinen Augen in einem gleißenden Licht der Genialität erscheinen ließ. Er hielt sich für anbetungswürdig und fühlte sich ungerecht behandelt, weil die Welt es nicht erkennen wollte.«
Attila schmatzte und rollte sich auf die andere Seite. Couvier hielt den kleinen zarten Tisch fest, damit der Hund ihn nicht umwerfen konnte.
»Er quält die Frauen. Fügt ihnen unsägliche Schmerzen zu. Alles nur Machtstreben?«
»Nein. Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass er sie aus Rache quält. Wenn er die Frauen in der Hand hat, lebt er den als Kind empfundenen Hass gegen seine Mutter an ihnen aus. Das hat er nie zugegeben, aber ich bin dennoch davon überzeugt, dass es so ist. Wir wissen nicht sehr viel über seine kindliche Entwicklung. Im Kinderheim war er trotzig, schlug, kratzte und biss die anderen, prügelte sich wild herum, wurde im Alter von vier Jahren an die Familie Windisch vermittelt, wo er auf eine herrische Frau traf. Es liegen keine Berichte der Betreuer vor, die etwa belegten, dass das Kind Klaus sich in irgendeiner Form sonderbar entwickelte. Die
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