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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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zeigten sie ihm, wo er unsauber gearbeitet hatte, bemängelten die Tropfen, die Bahnen, die dunkelbraunen Stellen, das bekleckerte Gras, die verschmutzte Kleidung, bedauerten, wie unsorgfältig er gestrichen habe. Mit gesenktem Kopf hatte er ihnen zugehört, er war enttäuscht und beschämt. Als sie Hand in Hand zum Haus zurückkehrten und ihn allein und unglücklich neben dem Schuppen stehen ließen, hörte er sie sich gegenseitig bestätigen, es sei wirklich traurig, aber er, Klaus, wüsste wohl von nichts, wie es gehe, mache alle nur erdenklichen Fehler und sei mit ihrem Kleinen gar nicht zu vergleichen. Der Kleine habe immer gewusst, wie es geht, konnte jedes Problem anpacken und machte ihnen stets nur Freude. Was für ein Unterschied zu den Enttäuschungen, die Klaus ihnen nun bereite. Aber, hörte er sie zusammenfassen, jede Familie bekäme eben ihre Prüfungen auferlegt, und schließlich sei es ja auch eine Chance für sie alle, gemeinsam an diesem Problem Klaus zu wachsen. Er! Er war ein Problem! Ein Sorgenkind! Noch heute, nach so vielen Jahren, spürte er, wie ihn die Scham heiß durchfuhr, als er das hörte. Und im selben Moment hatte er begonnen, darüber nachzudenken, wie er sie von seinem Können überzeugen konnte.
    Er hatte Mäuse gefangen und mit den Schwänzen auf ein Brett genagelt. Damit wollte er die Katzen aus der Nachbarschaft anlocken, die immer die Vögel in ihrem Garten erlegten. Die Mäuse piepten natürlich aufgeregt, manche starben und mussten durch Neufänge ersetzt werden, aber insgesamt konnte er mit der Wirkung der ›Mausefalle‹ zufrieden sein. Er ließ die Schuppentür einen Spalt breit offen, wartete mit dem Spaten in der Hand hinter der Tür, und wenn eine Katze hineinkam, angelockt vom hysterischen Geschrei der Mäuse, die sich nicht befreien konnten und deren Schmerzen schlimmer wurden, wenn sie es versuchten, dann …
    Einige Tage lang säuberte er so den Garten.
    Sie bemerkten schon bald, dass die Katzen nicht mehr über ihr Grundstück schnürten, und freuten sich. Stellten Vermutungen an, wie es möglich war, den Katzen begreiflich zu machen, die Vögel in ihrem Garten seien tabu. Die Falle entdeckten sie durch einen Zufall. Er kam aus der Schule, und sie warteten schon auf ihn. Den Zweck seiner selbstgebastelten Vorrichtung erkannten sie wohl – nicht aber deren Genialität. Sie zwangen ihn, sie zu den Katzenkadavern zu führen, und er würde nie vergessen, wie einsam und unverstanden er sich gefühlt hatte, als sie zu weinen begannen. Sie sprachen davon, dass diese Katzen Mitgeschöpfe seien und von ihren Besitzern schmerzlich vermisst würden. Plötzlich war keine Rede mehr davon, dass sie Vogelmörder waren. Als er versuchte, sich zu rechtfertigen, wandten sie sich schweigend von ihm ab und kehrten mit gesenkten Häuptern zu ihrem Haus zurück. Am nächsten Morgen fuhren sie mit ihm zum Arzt. Noch heute spürte er die unbändige Wut in sich, wenn er an diese Menschen dachte, die nicht in der Lage waren, die Einzigartigkeit seiner Begabung zu sehen. Andere würden sie erkennen, davon war er mehr denn je überzeugt.
     
    Die Atmosphäre, die er in dem kalten Raum erzeugt hatte, wollte so gar nicht zu dem Anblick passen, den die unbekleidete junge Frau auf dem Boden bot.
    Klaus Windisch hatte sie sorgfältig verschnürt. Die Arme ausgestreckt über dem Kopf, wobei die Handflächen aneinander lagen, als bete sie. Bis fast zum Ellbogen hatte er sie mit Klebeband umwickelt. Auch die Beine waren möglichst schmal zusammengebunden, der linke Unterschenkel lag dabei auf dem rechten. Über den Lippen klebte ein breiter Streifen des braunen Bandes.
    Die Augen hatte sie noch nicht wieder geöffnet.
    Vielleicht war der Schlag auf den Hinterkopf doch kräftiger ausgefallen, als er beabsichtigt hatte, dachte er plötzlich alarmiert. Sie war doch nicht etwa … Ohne sein Zutun?
    Schnell tastete er mit einer Hand am Hals nach ihrem Puls und legte die andere auf ihren Bauch.
    Dann grunzte er beruhigt.
    Sie lebte.
    Noch.
    Nur noch für ihn.

36
    Emile Couvier besuchte den Kollegen in seinem Privathaus.
    Dr. Schmolk war seit drei Monaten Privatier, hatte seine Praxis verkauft und genoss nun seine Freizeit.
    Der Golden Retriever, der ihm dabei helfen sollte, in Form zu bleiben, freute sich unbändig über die Abwechslung im Alltag und begrüßte den Besucher stürmisch.
    »Nun lass den jungen Mann am Leben, Attila! Wenn wir ihn beschädigen, kriegen wir Ärger mit den höchsten Stellen,

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