Menschenkinder
zusammen auf Kreuzfahrt). Und die anderen Kinder drumrum, die Geschwister, die Spielkameraden, Freunde und Mitstreiter – alle haben sie ihre eigenen Tagesordnungen, im Kindergarten, der Schule oder im Sportverein.
Wie wichtig das kooperative Modell auch in modernen Gesellschaften ist, zeigen schon Beobachtungen an Säuglingen: Kinder in Familien mit wenig Unterstützung haben häufiger ein »schwieriges Temperament«. Sie heulen lauter und länger beim Waschen, Ankleiden oder Windelwechseln, schlafen schlechter ein, sind leichter ablenkbar und reagieren stärker auf Veränderungen. Rund um den Globus geht es Kindern dort am besten, wo sie in einem reichhaltigen sozialen Netz aufwachsen. Dabei scheinen die praktischen, persönlichen Hilfen mehr zu zählen als die rein materielle Absicherung der Familie. Die Statistiken der Wohlfahrtverbände und Jugendämter hierzulande unterstreichen die kooperative
Ausrichtung des Projektes Kinderkriegen auf dramatische Art: Werden Hilfen der Behörden in Anspruch genommen, so werden zwei Gründe mit Abstand am häufigsten genannt: »Fehlendes soziales Netz« und »Fehlende konkrete Entlastung«.
Auch Kinderärzte sehen die kindliche Entwicklung als einen Spiegel sozialer Ressourcen. Sprachentwicklungsstörungen werden in Deutschland bei etwa vier Prozent der sozial gut gestellten Kinder beobachtet – bei den sozial benachteiligten Kindern sind es über viermal mehr. Verhaltens – und Lernprobleme sind bei den Kindern mit niedrigem Sozialstatus etwa 17-mal häufiger als bei Kindern aus der gebildeten Mittelschicht. Selbst die Gesundheit spiegelt die Stärke des sozialen Netzes wider: Die meisten Krankheiten, von Übergewicht bis Karies, sind bei Kinder aus sozial schwachen Familien deutlich häufiger.
Der neue Mann
Und der Vater? – Sowohl in Jäger – und Sammlergruppen als auch in modernen Gesellschaften ist er schon allein durch die materielle Mitversorgung der Kinder ein deutliches Plus. Das schlägt sich beispielsweise in einem durchschnittlich besseren Entwicklungs- und Gesundheitszustand der Kinder nieder. Bei der direkten Versorgung der Kleinen ist seine Rolle jedoch – wiederum im Durchschnitt – nicht so beeindruckend. Auch derzeit herrscht an der Kinderfront kein wirkliches Gedränge, obwohl sich gerade Paare aus der gut gebildeten Mittelschicht eine gleichberechtigte Elternschaft wünschen. Selbst im Vorreiterland USA übernehmen Frauen nach wie vor doppelt so viel an Haushaltspflichten wie ihre Männer. Unmittelbar mit den Kindern verbringen die Mütter sogar fünfmal mehr Zeit als die Väter. Auch scheint der Arbeitseinsatz bei den Männern stark von der Dauer der Beziehung abzuhängen. In den ersten Jahren nach der Familiengründung werden deutlich mehr Windeln gewechselt und Waschmaschinen befüllt
als später – weshalb manche Soziologen den Einsatz der Männer an der Wickelfront teilweise auch als Werbung um die Gunst und Anerkennung der Partnerin ansehen. Nett, oder?
Was immer die Motive sein mögen, das Fazit zum neuen Mann ist damit eher ernüchternd. Ja, mancher witzelt sogar, der Mann habe sich heute in eine derart wichtige Position geschoben, dass er am besten schon bei der Zeugung dabei sein sollte ...
Dass hinter der schlaffen Bilanz aber nicht nur ein hartnäckiges Rollenklischee steht, weiß jeder Mann, der a) seinen Gehaltszettel mit dem seiner Partnerin vergleicht und b) schon einmal versucht hat, im Job kürzer zu treten. Letzteres gilt in den meisten Betrieben ja als eine Art obszöner Vorschlag. In den ach so innovativen deutschen Unternehmen, in denen jedes zweite Wort »Zukunft« heißt, scheint man nicht auf diejenigen Rücksicht nehmen zu wollen, die dafür sorgen, dass die Zukunft überhaupt passiert – Mütter nach der Baby»pause« oder Väter, die auch mal gerne das tun, was alle fordern: für das Kind da sein, und das nicht nur an Samstagen. Aber sehr gerne beklagt man sich dann, wenn die Fachkräfte fehlen.
Und wie so oft gibt es auch bei der Rollenverteilung das Kleingedruckte, das einem immer auch ein bisschen nach der eigenen Nase greift. Jedenfalls zeigen Studien von Psychologen, dass das väterliche Engagement für so manche Mutter durchaus ein zweischneidiges Schwert sein kann. Ja, die Entlastung ist willkommen, andererseits untergräbt sie auch ihr Selbstverständnis als gute Mutter. Sich um das Baby zu kümmern gibt nun einmal auch Bestätigung und den inneren Rückhalt einer klar definierten, anerkannten Rolle. Der
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