Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
damit umgehe. Ihr Eindringen hier empfinde ich als nicht zu entschuldigenden Affront.«
»Noch einmal, Herr Tondo, wir sind nicht hier eingedrungen. Ihre Frau …«
»Sie wiederholen sich«, unterbrach Tondo den Hauptkommissar barsch. »Und Sie langweilen mich. Ich fordere Sie hiermit zum letzten Mal auf, mein Haus zu verlassen. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht unverzüglich nachkommen, werde ich zuerst meinen Rechtsanwalt anrufen und danach den Polizeipräsidenten. Wobei, mit Dr. Bartholdy bin ich ohnehin übermorgen zum Lunch verabredet; dann kann ich mit ihm über Ihren peinlichen Auftritt heute Abend sprechen.«
»Es geht um Ihre Großcousine, Herr Tondo«, machte Lenz einen letzten Versuch. »Möglicherweise steckt sie in Schwierigkeiten. In großen Schwierigkeiten sogar.«
»Das glaube ich nicht. Yoko ist ein anständiges Mädchen, sie tut nichts Unrechtes. Wenn sie …«
»Hören Sie auf!«, brüllte Lenz den Mann so unvermittelt an, dass der erschrocken ein paar Zentimeter zurückwich. »Jetzt langweilen Sie nämlich mich. Vielleicht ist Ihrer Verwandten etwas zugestoßen, aber das scheint Ihnen offenbar völlig egal zu sein. Sie gefallen sich lieber darin, uns, warum auch immer, mit Ihren guten Kontakten zu drohen. Allerdings können Sie sich das sonstwohin stecken, das zieht bei uns nämlich nicht.«
Damit stemmte der Kommissar sich aus dem Stuhl nach oben, stampfte an Tondo vorbei und war ein paar Sekunden später aus der Tür. Hain, der ihm folgte, warf dem japanischen Unternehmer im Vorübergehen noch einen missbilligenden Blick zu, bevor auch er das Haus verließ und, vorbei an der großen Lexus-Limousine, mit der Tondo angekommen war, in Richtung des großen Tores ging. Die Frau des japanischen Unternehmers war beim Abgang der beiden nirgendwo mehr zu sehen gewesen.
»Was war das denn?«, wollte der junge Polizist kopfschüttelnd wissen, als sie beide wieder im Wagen saßen.
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Lenz wütend und mit bebender Stimme, »aber ich werde es rauskriegen.«
»Meinst du, er geht wirklich mit Bartholdy essen?«
»Das ist mir scheißegal, Thilo! Der Kerl hat Dreck am Stecken, und zwar nicht zu wenig. Warum sonst sollte er uns so mies behandeln?«
»Vielleicht ist er einfach ein arrogantes Arschloch?«
»Das, mein lieber Thilo, ist er ohnehin. Aber das ist garantiert nicht alles.«
*
»Du weißt schon, wie spät es ist«, flüsterte Uwe Wagner ins Telefon.
»Klar weiß ich, wie spät es ist, Uwe. Aber wenn es nicht so wichtig wäre, würde ich dich nicht anrufen, das weißt du.«
»Ja, das weiß ich wirklich«, stöhnte der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Kassel leise. »Und ich würde mich auch nicht so anstellen, wenn nicht meine Liebste schlafend in meinem Arm liegen und den Fernseher anschnarchen würde. Also, was kann ich für dich tun, mein Freund?«
»Kennst du einen Japaner namens Daijiro Tondo?«
»Du meinst vermutlich Daijiro Tondo, den Chef der Nipimex?«
»Von mir aus, ja. Kennst du ihn?«
Wagner ließ sich ein paar Sekunden Zeit mit der Antwort. Offenbar musste er seine Position oder die seiner Frau ein wenig verändern.
»Kennen wäre deutlich übertrieben. Ich weiß, wer er ist, und ich weiß, dass man ihn besser zum Freund hat, mehr aber auch nicht. Leute dieses Kalibers gehen nicht mit dem Pressefuzzi der Kasseler Polizei zum Essen. Und in seinem Golfclub hätte einer mit meiner Gehaltsstufe nicht einmal dann Zutritt, wenn er einen Bürgen vorweisen könnte.«
»Das klingt, als ob du dich schon mal mit ihm beschäftigt hättest, Uwe.«
»Selbst wenn dir das jetzt irgendwie weiterhelfen würde, muss ich dich enttäuschen; es ist nicht so. Daijiro Tondo ist einer von denen, mit dem man besser nichts zu tun hat, wenn man nicht sein Freund ist. Er versucht zwar, im Außenverhältnis auf seriöser Geschäftsmann zu machen, aber jeder weiß, dass er mit ganz harten Bandagen kämpft.«
»Womit macht er denn genau seine Geschäfte?«
»Frag lieber, wo er seine Finger nicht im Spiel hat. Offiziell ist sein Unternehmen, also die Nipimex, ein reines Import-Export-Geschäft, aber auch da ist klar, dass er mit allem Geld verdient, mit dem es sich lohnt.«
»Alles auf legale Weise?«
»Ich wüsste nichts von illegalen Aktivitäten zu berichten. Hast du was auf der Pfanne, was darauf hindeutet?«
Nun war Wagner scheinbar hellwach.
»Hat er am Ende was mit dem toten Japaner aus der Laubenkolonie zu tun?«
»Das weiß ich nicht, Uwe,
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