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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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beschäftigte, wusste im Grunde genommen kaum jemand, was für ein Mittel das war.«
    »Ich habe mir schon gedacht, dass uns damals Amphetamin verabreicht wurde«, sagte Kiddi Kolke, »die populärste Droge auf dem Markt. Kein Wunder, dass wir vor die Hunde gegangen sind.«
    »Mach dir doch selber nichts vor. Ihr hattet doch sowieso keine andere Chance, als vor die Hunde zu gehen«, antwortete Sævar Kreutz so prompt, als hätte er schon lange damit gerechnet, seine Vorgehensweise rechtfertigen zu müssen. »Warum fiel die Wahl auf diese Klasse an dieser Schule mit diesem Lehrer?«, fragte Pálmi. »War das Zufall, oder steckte etwas dahinter?«
    »Wir brauchten zweierlei, zum einen eine sehr leistungsschwache Klasse und zum anderen einen Lehrer, den wir dazu bringen konnten, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir haben in sämtlichen Schulen im Großraum Reykjavík gesucht, wir haben uns die Klassen, das Betragen, die Noten und die Lehrer angeschaut. Was wir suchten, war eine Klasse, die im Hinblick auf aufsässiges Verhalten und schlechte Leistungen alles übertraf. Und wir brauchten einen Lehrer, der alles tun würde, was wir verlangten, ohne es an die große Glocke zu hängen. Nachdem wir die Laufbahn von diversen Lehrern untersucht hatten, stießen wir endlich auf Halldór. In einem Telefongespräch mit seinem ehemaligen Vorgesetzten stellte sich heraus, dass Halldór sich etwas hatte zuschulden kommen lassen und mit Schimpf und Schande von Hvolsvöllur verjagt worden war. Diesen Mann habe ich ganz einfach angerufen, und er brannte richtig darauf, mir die ganze Geschichte zu erzählen. Er dachte natürlich, dass ich im Auftrag von irgendeiner Institution anriefe. Es schien ihm seit vielen Jahren auf dem Herzen gelegen zu haben, deswegen hatte er das Bedürfnis, mit jemandem darüber zu reden. Als wir Halldórs Klasse näher unter die Lupe nahmen, stellte sich heraus, dass sie präzise dem entsprach, wonach wir gesucht hatten. Erik Faxell hat sich mit Halldór in Verbindung gesetzt und ist auf keinerlei Widerstand gestoßen. Der Mann war ein komplettes Wrack. Einen Winter lang haben wir dann etwas andere Lebertranpillen verteilt, ein Aufputschmittel, das die schulischen Leistungen enorm steigerte. Der Hauptanteil war Amphetamin, aber wir hatten auch noch andere Stoffe beigemischt, von denen wir annahmen, dass sie die Wirkung steigerten. Mädchen kamen nicht in Frage wegen der hormonellen Veränderungen in diesem Alter, die sich auf das Experiment auswirken konnten.«
    »Auf diese Weise hast du meine Freunde süchtig gemacht«, sagte Kiddi Kolke.
    »Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Amphetamin wurde damals, und in manchen Fällen sogar heute noch, gegen Narkolepsie verwendet, und es ist auch in gewissen Medikamenten enthalten, die Verhaltensstörungen bei Kindern regulieren sollen. Genau diese Wirkung des Mittels wollten wir näher untersuchen. Verhaltensstörungen bei Kindern. Das Experiment war im Grunde genommen schmerzlos und simpel. Damals war es unser Ziel, ein Medikament für solche Kinder auf den Markt zu bringen. Es wurde dann zu einem Psychopharmakon weiterentwickelt, das heute noch zu unseren meistverkauften Produkten gehört. Mann kann es gegen Rezept in fast jeder Apotheke der Welt kaufen. Leider ist nie etwas aus diesem Mittel für Kinder geworden, das hat nicht geklappt«, erklärte Sævar Kreutz und zuckte so abschätzig mit den Achseln, als zähle dieser Fehlschlag mehr als die Schicksale der Jungen, die seinen Experimenten zum Opfer gefallen waren. »Ich überlasse es euch, ob ihr das glauben wollt oder nicht, aber es ging uns darum, eine bessere Welt zu schaffen. Dieses Pulver sollte euch retten, euch zu besseren Menschen machen. Wir wollten helfen – nicht zerstören. Die wissenschaftliche Forschung kommt nicht ohne Opfer und Leidtragende aus.«
    »Opfer und Leidtragende«, schrie Kiddi Kolke ihn an. »Was du getan hast, war schändlich und illegal. Und es war todbringend! Diese Experimente hättest du nie und nimmer auf legale Weise durchführen können.«
    »Das gehört zu den Grenzen, die uns gesetzt sind«, entgegnete Sævar Kreutz und zuckte wieder mit den Achseln.
    »Meine Freunde wurden süchtig nach diesen Pillen, die du ihnen gegeben hast«, sagte Kiddi Kolke, der vor Wut kochte. »Sie haben sogar die Pillengläser geklaut, die Halldór aufbewahrte, und kurz darauf starb Aggi an Herzversagen. Gísli wahrscheinlich auch. Die anderen wurden zu Alkoholikern und

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