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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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er nach oben. Las in den Büchern, wusch sich, sah fern, die Nachrichten,
oder las im Teletext. Sie wurden beherrscht von einem einzigen Thema.
Sondersendungen. Wichtige Menschen gaben Interviews. Alles, um davon
abzulenken, dass sie keinerlei Spur hatten. Gut. Er war noch nicht fertig. Noch
lange nicht. Er besaß die Liste. Das hier war erst der Anfang.

Reiflandschaft
    Für einen Moment meinte Freund, etwas gehört zu haben.
Wahrscheinlich ein Nachtvogel. Jetzt war es wieder still in dem alten Haus.
Durch die milchige Oberlichte drang kaum Licht in die Eingangshalle. Langsam
erfasste Freund Schemen. Entlang der Wand führte eine Treppe in das obere
Stockwerk. Vor ihnen standen Möbel. Unter seinen Füßen fühlte sich der Boden
weich an. Ein paar Meter früher waren sie über Parkett geschlichen. Durch die
dünnen Gummisohlen seiner Segelschuhe hatte Freund die sanften Wellen des alten
Holzes gespürt.
    »Im Dunkeln werden wir nichts finden«, flüsterte ihm Petzold ins
Ohr.
    »Wir können schlecht den ganzen Palast erleuchten.«
    Vor seinen Augen huschte ein Licht über die Wand, er erkannte Teile
von Stühlen und Tischbeinen.
    »Glauben Sie, ich marschiere hier ohne Taschenlampe herein? Hier,
eine für Sie«, wisperte Petzold.
    Seine Finger tasteten nach dem Einschaltknopf. Er war froh, seine
eigene Lampe zu führen. Einem fremden Lichtkegel folgen zu müssen war wie
Fernsehen mit Claudia, wenn sie die Fernbedienung hielt.
    Die Lichtscheiben wanderten über alte Bilder und vertäfelte Wände.
Auf dem Boden tasteten sie Teppiche in verschiedenen Größen und Farben ab.
Unter dem Oberlicht brachten sie die Steine eines gigantischen Kristalllusters
zum Glitzern. Freund zählte insgesamt sechs Türen.
    Er wandte sich der ersten rechts zu.
    »Sollen wir uns trennen?«, fragte Petzold. »Dann geht es schneller.«
    »Auf keinen Fall.« Er verzichtete auf einen Befehl, da diese Frau
sowieso tat, was ihr passte. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter. Sie
spielten mit dem Feuer. Wenn jemand hier war, der von ihrer Anwesenheit wusste,
konnte er sie in eine Falle laufen lassen oder aus irgendeiner finsteren Ecke
überfallen. Sowieso gaben sie ein hervorragendes Ziel für Schüsse ab. Der
Lichtstrahl fiel auf eine große Kochinsel. Mit schnellen Bewegungen der Lampe
erforschte er den Raum. Sie waren in der Küche gelandet. An der Wand hängendes
Kupfergeschirr erwachte im vorbeihuschenden Schein zum Leben. Hier war niemand.
Zwei Türen. Freund öffnete die erste. Steile Treppen führten abwärts. Aus der
Tiefe roch es muffig.
    »Hier geht es in den Keller.«
    Er schloss die Küche von außen und schlich weiter.
    Die gleiche Prozedur. Die gleiche Vorsicht. Tür behutsam öffnen. Ein
erster Blick. Dann ausleuchten. Esszimmer. Beherrscht wurde es von einer langen
Tafel. Auch hier machte das tanzende Licht die Schatten der Wandschränke mit
dem Porzellan und den Gläsern zu springenden Nachtwesen.
    Kein Geräusch drang von draußen herein. Was hatte er vorher gehört?
Auch im nächsten Raum, den Freund nach der Tapetenfarbe als grünen Salon
bezeichnet hätte, fanden sie keine Menschenseele.
    Nebenan stießen sie auf eine Bibliothek, mit Bücherwänden bis an die
Decke. Zwischen zwei Chesterfieldsesseln stand ein Tischchen mit Ordnern und
einem leerem Glas. Es wartete, als hätte in dem Sessel daneben eben noch jemand
gesessen. Auf seinem Boden trockneten letzte Reste von Flüssigkeit ein.
    »Hier hat jemand getrunken, nachdem die Hausangestellte freibekam«,
meinte Petzold. »Sonst hätte sie das Glas weggeräumt.«
    »Oder sie hat es übersehen. Was sind das für Ordner?«
    Neben und auf dem Tischchen zählte Freund sechs dicke Ringbücher.
Die grauen Leinenumschläge trugen handbeschriebene Etiketten mit Jahreszahlen.
    Freund blätterte durch den Band »1959–1961«. In Klarsichtfolien
fanden sich Kopien handschriftlicher Aufzeichnungen. Aus der peniblen
Auflistung von Namen und Daten und Bemerkungen wurde Freund nicht schlau.
Petzold studierte »1977–1980«.
    »Wer sind diese Menschen? Was bedeuten die Daten?«
    »Keine Ahnung«, bemerkte Freund.
    »Diese Aufzeichnungen beginnen 1950 und enden 1989. Kopien. Wo sind
die Originale?«
    »Da fehlt etwas.«
    Petzold hielt ihm einen aufgeschlagenen Band vor die Nase und
blätterte. Die ersten Folien waren leer.
    »1972. Erst 1973 geht es wieder weiter.«
    Freund prüfte die anderen.
    »Die Ordner von 1965 bis 1971 fehlen überhaupt.«
    »Jemand hat diese acht Jahre

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