Menschenteufel
verständlich dar.
So hatten beispielsweise Anwohner eines kleinen Dorfs im
niederösterreichischen Waldviertel drei verdächtige Personen gemeldet, die
durch die Straßen spazierten und »komisch schauten«. Paranoia von Landeiern,
könnte man jetzt sagen. Da die zwei Männer und die Frau achtzig Kilometer von
zu Hause durch Straßen liefen, die für Touristen und selbst für Soziologen,
Vogelkundler oder Landvermesser von keinerlei Interesse waren, führten die
lokalen Beamten routinemäßig eine Personenkontrolle durch. Gegen die drei lag
nichts vor, allerdings zeigte das System, dass die Frau ein paar Wochen zuvor
in Wien einen Einbruch bei ihrem Arbeitgeber, einem Elektronikgeschäft,
gemeldet hatte. Wiener Beamte stellten bei den zwei Männern tatsächlich
Diebesgut sicher, unter anderem aus dem Einbruch in dem Elektronikgeschäft, bei
dem ihnen die Frau geholfen hatte. In dem Dorf waren sie zum Ausspähen
unterwegs gewesen. Ohne die Computersoftware wäre die Bande wahrscheinlich nie
erwischt worden.
Daten wurden nur über einen bestimmten Zeitraum gespeichert.
Eintragen konnten alle. Ergebnisse abrufen jedoch durfte nur Freund als Leiter
der Sonderkommission. Natürlich konnte man ein solches System missbrauchen.
Aber das war immer möglich. Es kam auf das Abwägen der Vor- und Nachteile an. Nicht
wenige von Freunds Bekannten sahen bereits den Überwachungsstaat durch die
Hintertür eindringen. Am wichtigsten fand er, in welches gesellschaftliche
System ein solches Programm eingebunden war. Freund vertraute auf den
Rechtsstaat. Sonst hätte er nicht als Polizist arbeiten können.
Mit einer Geste teilte er die Gruppe.
»Sie hier rechts recherchieren Wuster.«
Eine weitere Linienziehung.
»Sie übertragen sein Adressbuch in das Analyst’s Notebook.«
Dann zeigte er auf die linke Seite.
»Sie überprüfen seine Konten, sobald die Spurensicherer mit den
Unterlagen da sind. Und Sie drei«, dabei wählte er die drei Männer am äußersten
Rand, »finden mir alles über Teufelssekten, Teufelsanbetung und sonstige derartige
Aktivitäten, von denen wir in diesem Land und ganz besonders in dieser Stadt
Kenntnis haben. Außerdem gehen Sie heute Nacht auf die Jesuitenwiese und
schauen, ob da wer herumläuft. Hundehalter, Liebespärchen, Prostituierte.
Vielleicht war jemand auch gestern da und hat etwas beobachtet.«
Er prüfte, ob ihm auch alle zuhörten.
»Wenn jemand auch nur die geringste Neuigkeit findet, teilt er sie
mir sofort mit. Sofort, verstanden? Danke. An die Arbeit.«
Er war schon fast aus dem Raum, als er sich noch einmal umdrehte.
Fang nicht an wie Columbo, dachte er. Er zeigte auf einen Mann aus der ersten
Gruppe. »Und Sie finden heraus, woher der Ziegenbock stammt.«
Claudia hob nicht ab. Vielleicht hatte sie einen Gerichtstermin.
Oder eine Besprechung mit Klienten. Freund sprach seiner Frau auf die Mailbox.
»Tut mir leid wegen heute Nacht. Wir haben hier einen wirklich
schlimmen Fall. Vielleicht hast du es ja schon im Radio gehört. Oder im
Internet gelesen. Ich fürchte, heute wird es spät.«
Heute war Bernd mit Opawache dran. Nach dem dritten Freizeichen hob
sein Sohn ab.
»Wie geht es Opa?«
Der Bub klang bedrückt. »Die Pflegerin war da. Alles in Ordnung. Er
sitzt unter dem Sonnenschirm und schläft.«
Elf Jahre alt war der Junge und so erwachsen. Freund packte das
schlechte Gewissen. Wie konnte er ihm zumuten, auf seinen dementen Großvater
aufpassen zu müssen?
»Und was machst du so?«
»Ist schon okay. Philip kommt nachher herüber. Bis dahin spiele ich
Gameboy. Und wenn Mama kommt, gehen wir noch ins Krapfenwaldl.«
Das Schwimmbad auf dem Nachbarhügel, mit dem grandiosesten Blick,
den man von einem öffentlichen Schwimmbad aus über eine Hauptstadt haben
konnte.
»Ist Mama sauer auf dich?«
»Wieso?«
»Wegen Opa. Wegen heute Nacht.«
»Hat sie etwas gesagt?«
»Ich habe euch doch gehört.«
Freunds Kehlkopf drehte sich dreimal um die eigene Achse und ihm die
Luft ab. Als er antwortete, klang seine Stimme belegt.
»Wir haben …« Warum lügen? Kinder spürten es ja doch. »Na ja, du
weißt ja selber sehr gut, wie es mit Opa jetzt ist.«
Bernd sagte nichts.
»Und deine Schwester?«
»Ist mit Anni und ihrer Mutter schon im Bad.«
»Du bist so ein braver Bub. Danke, dass du nach deinem Opa siehst.
Auch wenn er es nicht mehr so sagt, er ist sehr froh, dass du bei ihm bist.«
Bernd klang recht fröhlich, als er antwortete: »Von mir aus gern. Du
hast mir
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