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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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gab es natürlich
auch.
    Für Petzold war das Ensemble schönstes Beispiel des neuen – oder
wiedererweckten? – Charakters der früheren Kaisermetropole. Sie selbst
erinnerte sich aus frühen Kindertagen an die morbide Stimmung Wiens. Jahrzehnte
welkte die Stadt als Mauerblümchen des Westens im Schatten des Eisernen
Vorhangs. Mit dessen Ableben Ende der achtziger Jahre blühte sie auf. Junge
Liebhaber und Liebhaberinnen aus aller Welt erfüllten sie bald mit neuer
Vitalität. Sie revanchierte sich als lebensfrohe Gastgeberin und belebte ihre
Rolle als Muse Europas neu.
    Die Nachteile der Entwicklung vergaß Petzold nicht. Mieten und
Immobilien wurden für viele Wiener langsam unerschwinglich. Die Stadt war ein
internationales Zentrum der Geldwäsche. Damit zog sie die Hintermänner des
organisierten Verbrechens an.
    Über den Pflastersteinen zitterte die Luft. Seit Jahren war der
August in Wien nun schon so heiß wie die Italienurlaube ihrer Kindheit. Endlich
entdeckte sie Doreen. Im Schatten eines Sonnenschirms sitzend, winkte sie
Petzold aus einem Schanigarten zu.
    Doreen Niklic begrüßte sie überschwänglich mit zwei Küsschen auf
jede Wange. Man hätte die beiden für Schwestern halten können. Ihre
Schulfreundin war noch etwas größer als Petzold, hatte die gleichen langen,
glatten dunklen Haare und die gleiche schlanke Figur. Ihre Gesichtszüge waren
etwas runder, und aus den Augen lachte der Schalk. Ein verdammt gut aussehender
Kumpel. Nur die wenigsten wussten, dass sie sich bereits zwei Rocksuperstars
auf Wienstation während ihrer Tourneen ins Bett geholt hatte. Im Gegensatz zu
Petzold war Doreen in einer Döblinger Villa aufgewachsen. Ihrem Großvater und
seiner monatlichen Apanage für die Enkelin zuliebe hatte sie ein Medizinstudium
absolviert. Zur seiner großen Enttäuschung hatte sie sich aber keinen
zukünftigen Primararzt oder Kanzleipartner aus gutem Haus als Ehemann
angelacht. Stattdessen hatte sie begonnen, als Journalistin zu arbeiten.
Inzwischen hatte sie sich bei den Presseagenturen und Zeitungen gut etabliert.
    Nachdem sie den neuesten Tratsch ausgetauscht hatten, bestellte
Petzold einen asiatischen Salat mit Hühnerstreifen und einen großen Apfelsaft
mit Wasser. Sommer im Museumsquartier. Ihre Laune stieg.
    »Du siehst fertig aus.«
    »Charmant. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Ich habe da
einen mysteriösen Fall, vielleicht hast du davon gehört …«
    »Aber nicht den Teufel …«, flüsterte Doreen hoffnungsfroh.
    Einen Moment lang ärgerte sich Petzold. Neben dem Toten vom Prater
schien auf einmal alles andere unwichtig. Aber als Journalistin musste Doreen
natürlich danach fragen.
    »Ich muss dich enttäuschen. Doch die Geschichte hat auch etwas.«
    Sie erzählte von ihrem Einsatz in der Vorwoche, von Shorts
Identifikation und der Suchanzeige mit dem alten Bild im Internet.
    »Vielleicht könntest du das Bild in die Zeitungen bringen. Da
erreicht es noch mehr Menschen, die darauf jemanden erkennen könnten.«
    Doreen nickte. »Wenn es wirklich so alt ist, müssen es vor allem die
sehr alten Leute sehen. Und die schauen nicht so oft ins Internet. Ich werde
sehen, was sich machen lässt.«
    »Streng dich an. Daraus kann eine größere Story werden. Ich glaube,
hinter der ganzen Geschichte steckt mehr, als wir vermuten.« Sie musste den
Jagdinstinkt der Reporterin wecken. »Was ich dir jetzt erzähle, ist noch
strenger vertraulich als das andere.«
    Sie beschrieb Shorts Brustverletzungen.
    »Terror?«, flüsterte Doreen und sah sich um, ob sie keiner gehört
hatte.
    Solange der Kellner in Militärhosen und Hawaiihemd ihr Essen
servierte, schwiegen sie.
    »Die Identifikation von Colin Short wurde gestern bekannt gegeben.
Den Rest hast du selbst recherchiert.«
    »Wie denn, wenn die Suchanzeige mit einer Pseudonymadresse versehen
war?«
    »Ich bin auf jeden Fall nicht deine Quelle. Wenn es sich irgendwie
vermeiden lässt. Wie geht es eigentlich deinem Großvater?«
    Alle anderen Schulfreundinnen Doreens aus falschem, weil nicht
wohlhabendem Hause hatte der damals schon alte Mann seine Standesdünkel immer
spüren lassen. Bis heute wusste Petzold nicht, warum er sie davor nicht nur
verschont, sondern wie seine eigene Enkelin behandelt hatte. Vielleicht die
physische Ähnlichkeit.
    »Bösartig und grandios, wie eh und je, kurz: gut«, antwortete
Doreen. »Besuch ihn wieder einmal. Er freut sich immer, dich zu sehen.«
    Vielleicht würde sie das früher tun, als sie gedacht

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