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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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auf Zehenspitzen über die Konstruktion aus
schwarzem Metall und dunkelbraunen Bohlen.
    Oben erwarteten sie ein zerstörtes Schlafzimmer und ein devastierter
Arbeitsraum. Im Badezimmer lagen Rasierutensilien, Kämme, Bürsten und Parfums
über den Boden verstreut. Ein zerbrochener Flakon verströmte intensiven Geruch
nach Moschus, altem Leder und Rauch. Auch im Abstellraum und im zweiten Schlafzimmer
hatte jemand etwas gesucht. Wer immer es gewesen war, jetzt befand er sich
nicht mehr im Haus.
    Freund entspannte sich. »Das hat die gute Frau Kohn also nicht
mitbekommen.«
    »Kein Wunder, bei ihrer Schwerhörigkeit.«
    Sie kehrten ins Erdgeschoss zurück.
    »Der Einbruch muss nach dem Besuch der Kollegen stattgefunden
haben.«
    »Vielleicht waren es nur Ferieneinbrecher?«
    »Glaubst du?«
    »Nein.«
    Freund rief Pascal Canella an und bestellte wieder einmal die
Spurensicherung.
    Als sie die Donau auf der Reichsbrücke überquerten, stand vor
ihnen die Sonne schon so niedrig, dass sie blendete. Die Stadt war eine
blassbraune Kontur. Am Himmel entdeckte Freund keine Vorhut der versprochenen
Gewitter.
    Freund telefonierte mit der Zentrale. Lindl bestritt weiterhin
alles. Die Analyse seines Bestecks war leider immer noch nicht abgeschlossen.
    Freund folgte einer Eingebung. »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte
er auf der Lassallestraße zu Wagner, »lasse ich dich aussteigen, und du fährst
mit dem Taxi zurück in die Zentrale. Ich muss meinen Vater nach Hause bringen.«
    Sein Kollege schien froh, die Gesellschaft Oswald Freunds verlassen
zu dürfen, und verließ sie an der U-Bahn-Station.
    Als Freund zu seiner Linken das Riesenrad sah, entschloss er sich zu
einem kurzen Umweg. Sein Vater auf dem Rücksitz wiegte den Kopf im Takt einer
Oper und studierte durch die Autoscheibe die Außenwelt. In der
Rustenschacherallee herrschte matter Verkehr. Freund hielt unter den Kastanien
hinter der Wittelsbacherstraße entlang der Jesuitenwiese. In der Allee dämmerte
es bereits, während das Laub der Bäume draußen auf der Wiese noch im
waagrechten Licht glitzerte.
    Er zog seinem Vater den Hörer von einem Ohr und sagte: »Warte bitte
kurz.«
    Sein Vater nickte gelangweilt und rückte den Hörer wieder zurecht.
    Freund verriegelte die Türen mit der Fernbedienung. Er überquerte
den Gehsteig und trat unter die Bäume. Der weitläufige Rasen war belebt, als
wäre hier gestern nichts geschehen. So schnell wucherte der Alltag wieder über
das Außergewöhnliche.
    Die Absperrung hatten sie bereits am Vorabend abgebaut. Alle Spuren
waren gesichert. Ein so großes Areal war auf Dauer nicht sinnvoll zu bewachen.
Gestern hatte es hier von hunderten Polizisten gewimmelt. Heute filmte ein
einsames Kamerateam junge Leute beim Ballspiel. Freund konnte sich den Text des
Sprechers dazu vorstellen.
    Selbst die untergehende Sonne brannte noch mit Kraft auf seine linke
Körperhälfte. Er umrundete ein Fußballfeld mit Toren aus Kleidungsstücken und
Taschen. Wahrscheinlich hatten die jugendlichen Spieler von dem Mord im
Internet gelesen. Doch in ihren schwitzenden Gesichtern las er nur Begeisterung
für den Moment. Alles andere war längst vergessen. Ein neuer Tag. Das Leben
ging weiter. Noch waren sie jung genug, um zu glauben, dass sie eines Tages Weltmeister
würden.
    Er kreuzte den Kiesweg, der die Wiese teilte. Bei der Bank unter der
Baumgruppe hielt er an. Hier hatten die beiden gesessen, die den Toten gefunden
hatten. Erschüttert. Entsetzt. Geistesgegenwärtig genug, um mit ihrem Handy
Fotos zu machen. Freund fragte sich, wann die Menschen begonnen hatten, so zu
werden. Hoffentlich waren sie wenigstens geschickt gewesen. Eine Weltreise oder
ein schönes neues Auto waren die Bildrechte sicher wert.
    Über den gestrigen Standort des Teufels trampelten zwei ganze
Mannschaften. Ein paar Minuten lang sah Freund den Männern zu, wie sie dem Ball
nachjagten. Ihr Eifer erfrischte ihn. Sie spielten nicht mehr wie die Jungs da
drüben. Träumten nicht mehr von der Karriere als Superstar. Sie waren zum
Vergnügen hier. Um Freunde zu treffen. Um das Leben zu genießen. Danach würden
sie was trinken gehen. Und in der warmen Nacht von alten Zeiten schwelgen,
voreinander angeben oder die Welt verbessern.
    Freund hatte lange nicht mehr gespielt. Mit siebzehn hatte er das
Angebot eines Erstligaclubs abgelehnt. Er hatte den Beschluss nie bereut.
    Sie hatten keine Spuren gefunden. Weder von einem Transportfahrzeug.
Noch von Schuhen oder Füßen. Keine

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