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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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»Bald wird das jeder sehen
können.«
    Sie redete noch schneller. »Was du da machst, ist doch Irrsinn, hör
auf, wir werden auch nichts sagen, bist du das, Norman, mein lieber …«
    Er hob seine Hände vor ihr Gesicht und klebte ihren Mund mit dem
Klebeband zu. Dazu sagte er nur ruhig: »Ich bin nicht, wer du glaubst. Ich bin
viele. Ich bin alle.«

Geräusche aus der Regenrinne
    Freund hörte, wie der erste Regentropfen mit einem lauten Aufklatschen
das Dach traf. Dann noch einer. Und noch einer. Durch die nebeligen Reste
seiner Träume rannte ein schwarz gekleideter Priester im Praterwald, verschwand
und tauchte hinter den Baumstämmen wieder auf wie hinter den Stangen eines
Tiergeheges. Er öffnete die Augen. In der Hütte war es stockfinster. Neben sich
hörte er Claudias regelmäßigen Atem.
    Er hatte keine Ahnung, wie spät es war. Das Leintuch, mit dem er
sich zudeckte, hatte er bis zu den Füßen hinuntergetreten. Seine Gedanken
wirbelten durcheinander. Er musste an den Toten mit dem Ziegenbockunterleib
denken. Die Erinnerung an die Bemerkungen seines Vaters bei den Kohns brachte
ihn mittlerweile zum Schmunzeln. Rauchfangkehrer. Gleich darauf überfiel es ihn
heiß: Nie wieder wollte er in so eine Situation geraten. Wagner hatte sicher
schon alles herumerzählt.
    Jetzt konnte Freund die einzelnen Tropfen nicht mehr
auseinanderhalten. Über seine verschwitzte Haut spürte er einen kühlen Luftzug
streichen.
    Die Karten für Frau Ivenhoff würde er auf jeden Fall besorgen. Als
Entschuldigung. Er versuchte, die neuen Erkenntnisse des Nachmittags zu ordnen.
Noch ein Mann war verschwunden. Zwei der drei Vermissten hatten möglicherweise
Verbindungen zu einem Netzwerk der organisierten Kriminalität. In diesem Bereich
war Freund nie direkt eingesetzt gewesen. Serena Tognazzi hatte ihm einiges
erzählt. Tatsächlich teilte die Polizei sie nach zwei Kriterien ein: Delikte
und Ethnie. Manche Kriminalitätsformen waren fest in der Hand gewisser
Nationalitäten. In der Öffentlichkeit wurde nicht gern darüber gesprochen. Zu
viele Menschen ließen sich zu plumpen gedanklichen Kurzschlüssen hinreißen.
Weil ein paar nigerianische Clans den Wiener Straßenhandel mit Heroin
beherrschten, wurden gleich alle Nigerianer, ja, alle Schwarzen pauschal als
Drogenhändler verdächtigt. Selbst Polizisten ließen sich von diesen Vorurteilen
anstecken. Zu den geschlossenen Zirkeln dieser ethnischen Netzwerke gewann
jedoch kaum ein Außenstehender Zutritt. Jetmir Bashtrin war Albaner.
Österreicher wie Wuster oder Murnegg-Weiss konnten in seinem Netzwerk entweder
bedingt wichtige Strohmänner, niederrangige Zulieferer oder Abnehmer sein. Aber
wovon?
    Das Trommeln auf dem Dach verwandelte sich in ein alles einhüllendes
Rauschen. Der Luftzug wurde noch kühler. Dann zuckte der erste Blitz. Freund
zählte lautlos. Einundzwanzig, zweiundzwanzig … bei siebenundzwanzig krachte
der Donner. Sieben Sekunden, etwas mehr als zwei Kilometer entfernt hatte der
Blitz den Himmel zerrissen. Und schon leuchtete der nächste durch die Fenster
und erfüllte den ganzen Raum für einen Sekundenbruchteil mit schemenhaftem
Leben. Das ferne Grollen folgte erst bei zweiunddreißig. Claudia drehte sich
auf den Bauch, wachte aber nicht auf.
    Blitz, Zählen, Donner. Das Gewitter zog in einiger Entfernung
vorbei.
    Den Spätabend hatte er im Internet verbracht. Nach Abendessen,
Vaterwäsche und Gutenachtgeschichte für die Kinder (diesmal hatten sie ihn
erzählen lassen) surfte er durch die Angebote von Pflegekräften. Die
überwiegende Mehrheit stammte von Frauen und Männern aus den ehemaligen
Ostblockstaaten. Seit der letzten Gesetzesänderung durfte man sie halbwegs
legal beschäftigen. Nur am Rande hatte Freund die Diskussionen um den
Pflegenotstand während der vergangenen Jahre verfolgt. Zu lange hatte er die
Situation seines Vaters verdrängt. Als Claudia seine Suche bemerkte, gestand
sie, selber bereits nachgeforscht und im Kollegenkreis gefragt zu haben. Freund
war nicht sicher, ob er jemanden aus dem Internet engagieren wollte. Vielleicht
würde sich in den nächsten Tagen etwas über persönliche Empfehlungen ergeben.
    Irgendwann wurde der Abstand zwischen Blitz und Donner so groß, dass
er nicht länger zählte. Das Regenrauschen verwandelte sich zum Plätschern, bis
es schließlich ganz versiegte. Übrig blieben das Tropfen von den Blättern und
ein Gurgeln in der Regenrinne.
    Lange lauschte Freund und konnte alle Gedanken verdrängen. Die

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