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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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indem der
Polizeipräsident persönlich die Leitung der Sonderkommission übernimmt – formal
natürlich nur, versteht sich«, beeilte er sich hinzuzufügen.
    »Ein interessanter Gedanke«, bemerkte Roschitz.
    Selbstredend, dachte Freund, besonders für dich. Wenn der Pepe als
Sokoleiter erfolglos bleibt, steigen deine Chancen auf den Präsidentenposten.
Das wusste der Pepe natürlich auch. Doch eine Ablehnung sähe nach
Verantwortungsverweigerung aus. Was für einen Fuchs wie den Pepe kein Problem
darstellte, solange diese Frage nicht öffentlich diskutiert wurde. Dafür
allerdings würde Roschitz bei Bedarf sorgen. Wenn auch nicht persönlich,
sondern über Mittelsmänner. Furler und Obratschnik hielten still. Freunds
Vorstoß setzte die beiden in der Loyalitätsfalle fest.
    Gespannt warteten alle auf das Diktum des Polizeipräsidenten. Nur
Freund schielte auf die Tote zu ihren Füßen. Was für ein unwürdiges Schauspiel
über ihren Leichnam hinweg aufgeführt wurde. Ihre entsetzte Grimasse schien dem
peinlichen Hickhack zu gelten, dessen Zeugin sie war.
    »Ich halte diese Diskussion für verfrüht, solange wir keine gültige
Identifizierung der Frau besitzen. Bis dahin bearbeitet jede Einheit ihren Fall
und kooperiert eng mit der anderen.«
    Fast hätte Freund laut losgeprustet. Damit hatte der Pepe für den
Moment alle ausgespielt, sich selbst vorerst aus dem Spiel und den Schwung aus
der Debatte genommen. Das alte Schlitzohr hatte es nicht umsonst ganz an die
Spitze des Vereins gebracht.
    Unbehelligt von Rankünen konnte Freund weiterarbeiten. Wenigstens
ein paar Stunden noch.

Eine abenteuerliche Geschichte
    Der dicke, unförmige Mantel hinderte sie am Bewegen. Die groben
Strümpfe kratzten. Zum Schutz gegen die rauen Ziegel hatten ihre zarten Hände
harte Schwielen gebildet. Am Abend schmerzte ihr ganzer Körper vom
stundenlangen Steinewerfen. Frierend lag sie in ihrem Bett, den Mantel eng um
sich geschlungen. Das Kind war endlich eingeschlafen. So gut sie konnte,
versuchte sie, es mit ihrem Körper zu wärmen. Die Nacht würde wieder zu kurz
sein. Im Morgengrauen kam sie bereits vom zweistündigen Marsch aus den Vororten
zurück. Mit ein paar Eiern. Vielleicht mit ein paar Gramm Schmalz. Oder auch
mit leeren Händen. Und dann wieder. Trostloses Aufräumen in den Trümmern der
zerbombten Stadt. In endlosen Reihen standen sie und reichten sich, was von den
Gebäuden übrig war. Der erste Friedenswinter war mörderischer als mancher
während des Krieges. Überall in der Stadt starben die Menschen. Alte, Kranke
und Kinder zuerst. Menschen verhungerten, erfroren oder gaben einfach auf.
Konnten nicht mehr, wollten nicht mehr. Sie waren zu lange mitgelaufen. Jetzt
war ihre Kraft erschöpft. Das Kriegsende verstanden nur die wenigsten als
Gewinn. Und Verlierer kämpfen nicht mehr. Mehr als einmal hatte sie in den
vergangenen Tagen über erstarrte Körper auf den Straßen steigen müssen. Das
Kind verstand das alles noch nicht. Die fremden Soldaten gaben ihm Schokolade.
Sie flirteten mit seiner hübschen Mutter. Die versteckte ihre schwieligen
Hände. Und wartete vergeblich auf ihren Mann. Er würde nicht zurückkehren. Sie
durfte nicht daran denken. Vor einem Jahr hatte sie die Nachricht erhalten.
Manchmal in den Nächten tauchten die Bilder auf, die ihr die Brust
zusammenschnürten. Sie wusste nicht, wie er gestorben war. Das machte es noch
schlimmer. Irgendwo in Russland waren seine Überreste verscharrt. Sechs Jahre
hatte er die Strafversetzung überlebt. Seine Mutter starb nur einen Monat nach
Empfang der Botschaft. Aber sie, sie musste weiterleben. Weiterlaufen.
Weiterfunktionieren. Wie eine Maschine. Ein Knall riss sie aus dem
Dämmerschlaf.
    Sie fuhr hoch. Mit lautem Maunz sprang eine Katze von ihrer Brust.
Hektisch tastete sie um sich. Wo war das Kind? In was für einem Zimmer war sie
hier? Sie war schweißgebadet. Hatte sie nicht eben noch gefroren? Im Hof hatte
jemand die Mülltonne zu heftig zugeschlagen. Petzold kannte das Geräusch. Pi
stand neben dem Bett und schaute sie beleidigt an. Schwer atmend verscheuchte
sie die letzten Bilder des Alptraums.
    Bis zwei Uhr in der Nacht hatte sie gebannt und bewegt die
Suchmeldungen im Internet gelesen. Im Schlaf hatten sie sich mit den Bildern
aus den Geschichtsbüchern und Fernsehdokumentationen vermischt. Da war ein Kind
gewesen in ihren nächtlichen Phantasien. Und ein gefallener Ehemann.
    Seit Jahren hatte sie sich an keinen Traum erinnert. Umso

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