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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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einer Änderung der Spielregeln eines Beziehungsspiels, die unserer Ansicht nach durch eine kleine, aber vielleicht unvermeidliche Verletzung einer der Spielregeln ausgelöst wird. Das Stück sagt nichts über die neue Struktur, die neuen Spielregeln aus; es veranschaulicht lediglich die Folge von Ereignissen, die die alte Struktur zu ihrem Zusammenbruch führen.'
    Was nun geschehen soll, bleibt unklar: Ist der «Tod» des Sohns eine Neukalibrierung, die dem System eine neue Funktionsmöglichkeit verleiht? Oder hat George, wie Ferreira [41, S. 195] es sieht, lediglich «den Mythus des lebenden Sohns zerstört, um an seine Stelle den des toten Sohns zu setzen?»
    5.43 Metakommunikation zwischen George und Martha. Wenn George und Martha über ihr Spiel sprechen, so metakommunizieren sie im Sinne von Abschnitt 2.33 über ihre Beziehung. Dies ist aus verschiedenen Gründen von Interesse, deren einer ihr
«Spielbewusstsein» ist. Damit soll gesagt sein, dass Georges und
Marthas zahlreiche Hinweise auf und ihre Anrufungen von Spielregeln die beiden zu einem ungewöhnlichen Paar machen, dessen
Beziehung auf einer fast zwanghaften Beschäftigung mit dem
Erfinden, Benennen und Spielen bizarrer und grausamer Spiele
zu beruhen scheint - oder wie George sich und Martha beschreibt:
«Böse Kinder, die nur auf böse Streiche sinnen, die so tun, als sei
das Leben ein Kinderspiel» [S. 118]. Das Wesen ihrer Metakommunikation hängt damit unmittelbar zusammen, denn wir werden sehen, dass sogar die Kommunikationen über ihre Kommunikationen denselben Spielregeln unterworfen sind.

    An zwei Stellen [S. 90 ff. und S. 124 f.] besprechen George und
Martha eingehend ihre Beziehung. Die erste dieser beiden metakommunikativen Auseinandersetzungen enthüllt, wie grundverschieden beide ihre Beziehung sehen und wie George, als ihm
diese Verschiedenheit bewusst wird, Martha typischerweise für
verrückt hält (vgl. Abschnitt 3.4). Diese Auseinandersetzung
beginnt, als Martha gegen das Spiel «Die Gästefalle» protestiert,
das sie anscheinend für unzulässig und nicht in Einklang mit den
Spielregeln stehend hält:
    George (er kann seinen Zorn kaum mehr beherrschen): Du sitz'st da in
deinem Sessel ... Du sitz'st da, und der Schnaps läuft dir aus dem Maul,
du sabberst ... und du demütigst mich, du zerfetzt mich ... Die ganze
Nacht ...! ... und das findest du völlig in Ordnung ... das findest du
richtig ...
    Martha: Du bist hart im Nehmen!
    George: Ich bin es nicht!
    Martha: Du bist es! Du hast es gern! Darum hast du mich geheiratet!
    (Pause.)
    George: Das ist eine schandbare, krankhafte Lüge.
    Martha: Weißt du das denn nicht? Weißt du das noch immer nicht?
    George (schüttelt den Kopf): Ach ... Martha.

    Martha: Meine Arme sind so schwach und müde, George, dass ich die
Peitsche nicht mehr halten kann.
    George (starrt sie ungläubig an): Du bist verrückt!
    Martha: Dreiundzwanzig lange Jahre!
    George: Du bist geistig umnachtet... Martha, du bist wahnsinnig.
    Martha: Ich habe mir mein Leben anders vorgestellt!
    George: Ich war immer der Meinung, dass du dich selber kennst ... ich
wusste nicht ... Das habe ich nicht gewusst. [S. 91 f.]
    Dies ist ein ungewöhnlich klares Beispiel für die Pathologie ihrer
Interpunktion. George sieht sein eigenes Verhalten als gerechtfertigte Vergeltung für Marthas Angriffe, während Martha sich sozusagen als Prostituierte sieht, die dafür bezahlt wird, ihn zu
«peitschen»; beide glauben, nur auf die Handlungen des Partners
zu reagieren, nicht aber diese Handlungen auch zu bedingen. Sie
können das Wesen des Spiels in seiner Gesamtheit, seiner Kreisförmigkeit nicht überblicken, da sie ja in dem Spiel stehen und
ihnen infolgedessen der Überblick fehlt. Ihre verschiedenen Perspektiven werden so zum Material weiterer symmetrischer Eskalationen, und das obige Gespräch setzt sich fort:
    Martha (Wut überkommt sie): Ich kenne mich.
    George (als ob sie ein Insekt wäre): Nein ... nein ... du bist ... krank.
    Martha (schreit wieder): Ich zeig' dir, wer hier krank ist! Ich zeig' es dir!
[S. 92]
    Die Auseinandersetzung darüber, wer krank, im Unrecht oder
missverstanden ist, läuft dem uns nun schon vertrauten Endpunkt
zu, an dem beide ihre Unfähigkeit, gegenseitiges Verständnis zu
erreichen, in derselben Weise demonstrieren, in der sie über diese
Unfähigkeit selbst streiten:
    George: Jeden Monat einmal, Martha! Einmal im Monat! Ich habe mich
längst daran gewöhnt ... Einmal im

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