Menschliche Kommunikation
nahestehenden Personen gegeben werden können. Was Letztere betrifft, wird er in seiner Unsicherheit vermutlich dadurch bestärkt werden, dass vom Standpunkt der anderen die Situation durchaus logisch und natürlich erscheint. Der Verdacht, dass diese bedeutsamen Anhaltspunkte
ihm von den anderen absichtlich vorenthalten werden, wäre nur
eine Variation des Themas. In beiden Fällen - und das scheint uns
der springende Punkt zu sein - wird der Betroffene unter dem
Druck der Notwendigkeit stehen, diese Anhaltspunkte zu finden, und sich schließlich gezwungen fühlen, die vergebliche
Suche nach einem Sinn auf unwahrscheinliche und beziehungslose Phänomene auszudehnen. Diese Abkehr von den wirklichen
Gegebenheiten seiner Situation wird umso verständlicher, wenn
wir uns daran erinnern, dass ein wesentlicher Bestandteil jeder
Doppelbindung das Verbot ist, der in ihr enthaltenen Kontradiktion gewahr zu werden.
Andererseits kann der Betroffene aber auch zu jener Taktik
Zuflucht nehmen, die Rekruten sehr rasch als die bestmögliche
Reaktion auf die konfuse Logik (bzw. das Fehlen jeder Logik) des
Militärlebens erkennen, nämlich allen Anordnungen buchstabengetreu zu gehorchen und sich, wenigstens nach außen hin, jedes
eigenen Denkens zu enthalten. Statt sich also auf eine endlose
Suche nach verborgenen Bedeutungen zu begeben, ist der Betroffene in diesem Fall nur zur Beachtung der oberflächlichsten
Erscheinungsformen menschlicher Beziehungen bereit und wird
daher a priori die Möglichkeit verwerfen, dass Mitteilungen sich
untereinander durch verschiedene Wichtigkeitsgrade unterscheiden können. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass dieses
Verhalten einem Außenstehenden dumm erscheinen würde, denn
die Unfähigkeit, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu
unterscheiden, gehört zum Wesen der Dummheit.
Die dritte mögliche Reaktion besteht in einem Rückzug aus
menschlichen Beziehungen, soweit die Unmöglichkeit, nicht zu
kommunizieren, dies erlaubt. Zum Teil wenigstens lässt sich dies
durch weitgehende physische Selbstisolierung bewerkstelligen
oder, wo diese Isolierung nicht im gewünschten Grad möglich ist,
durch Blockierung des Kommunikationsempfangs. Was die
Möglichkeit dieser Blockierung betrifft, darf nochmals auf das in
Abschnitt 3.234 erwähnte Phänomen der Wahrnehmungszensur verwiesen werden. Die sich auf diese Weise isolierende Person
würde anderen zurückgezogen, unnahbar und autistisch vorkommen. Praktisch dasselbe Resultat - d. h. Flucht aus Doppelbindungen - ließe sich auch durch hyperaktives Verhalten erzielen, das so intensiv und andauernd ist, dass dadurch praktisch alle
Kommunikationen aus der Umwelt übertönt würden.
Diese drei Reaktionen auf die Unentscheidbarkeit tatsächlicher oder erwarteter Doppelbindungen entsprechen, wie die Autoren der Doppelbindungstheorie betonen, im Wesen den klinischen Bildern der Schizophrenien, nämlich dem Paranoid, der Hebephrenie und der (stuporösen oder agitierten) Katatonie. Sie fügen hinzu:
Diese drei Alternativen sind nicht die einzigen. Wesentlich ist, dass der Betroffene die eine Alternative nicht wählen kann, die ihm zu entdecken helfen würde, was andere meinen ... Durch diese Unfähigkeit ist er wie ein selbstregulierendes System, das seinen Regler verloren hat; es durchläuft endlose, doch stets systematische Schwankungen [18, S. 256].
6.44 Paradoxe Voraussagen. 16 Ungefähr im Jahre 1940 tauchte eine neue, besonders faszinierende Paradoxie auf. Ihr Ursprung scheint unbekannt, aber sie fand sehr rasch Aufmerksamkeit in Fachkreisen und wurde zum Gegenstand zahlteicher Abhandlungen, von denen nicht weniger als zehn allein in der Fachzeitschrift Mind erschienen17. Wie wir sehen werden, hat diese Paradoxie eine besondere Bedeutung für unsere Untersuchungen, da sie eine zwischenmenschliche Situation par excellence darstellt.
6.441 Von den verschiedenen Einkleidungen der Paradoxie wählen wir die folgende:
Der Direktor einer Schule kündigt seinen Schülern an, dass er zwischen
Montag und Freitag der nächsten Woche eine Prüfung abhalten wolle,
die für die Schüler insofern unerwartet kommen werde, als sie den Termin erst am Morgen des Prüfungstages selbst erfahren würden. Die
Schüler (die nicht auf den Kopf gefallen zu sein scheinen) erwidern darauf, dass eine solche Prüfung unmöglich sei, es sei denn, der Direktor
verletze den Wortlaut seiner eigenen Ankündigung und beabsichtige
nicht, eine
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