Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
zuging.«
»Das hat mir das Leben gerettet«, sagte Lea, und Sören fuhr fort: »Kommissar Bender, den ich glücklicherweise sofort erreicht habe, war ebenfalls äußerst besorgt, und so verständigten wir uns sogleich darauf, Frau von Helmstetten einzuschalten.«
»… und die hat mich auf meinem Handy angerufen und mich davon abgehalten, gegen einen Brückenpfeiler zu fahren, mich auf einem Feld neben der Autobahn zu überschlagen oder in langsam fahrende Autos hineinzurasen.« Lea machte eine Pause. »Ich hätte auch andere Menschen verletzt oder sogar getötet.« Sie trank weiter in kleinen Schlucken aus ihrer Tasse. »Diese Verbrecher!«
»Woran kannst du dich erinnern?«
Drei Augenpaare richteten sich gespannt auf Lea.
Sie begann zu erzählen, irgendwo in der Mitte der Ereignisse. Die Geschichte in eine Reihenfolge zu bringen, dafür fehlte ihr im Moment noch der Überblick.
»Ich bin ans Telefon gegangen, und dann hörte ich diesen Ton und die Stimme des Anrufers. Das war für mich die zweite Offenbarung. Ich musste sie erfüllen …«, Lea stockte, »ich war mir dessen ganz sicher.« Sie schüttelte den Kopf, verwundert über die eigenartige Gewissheit. »Ich erinnere mich an einen Raum im ISG, hell, mit weißen Kerzen erleuchtet. Zunächst war ich allein dort. Ich war benommen, sie hatten mir eine Substanz intravenös verabreicht. Ich habe versucht aufzustehen, als ich Marcion durch die Tür kommen sah, aber mir war schwindelig, meine Beine gehorchten mir nicht. Marcion sagte mir, dass ich mich an nichts mehr erinnerte, wenn er mir das Zeichen gebe. Dieses Zeichen sei ein himmlischer Ton, der Harfe gleich. Ich würde ihn hören und alles vergessen bis zum nächsten Mal. Dann würden ihr Klang und die nächste Offenbarung mich in eine neue Welt führen. Er sprach von einer Reise in eine fremde Welt, von meiner Sehnsucht nach Erkenntnis und spirituellem Wachstum.«
»War sonst noch eine Person anwesend?« Kommissar Bender blickte von seinem ständigen Begleiter, dem Notizbuch, auf.
»Nein, in diesem Raum war ich mit Marcion allein, er hatte ein sehr schönes, kostbar aussehendes Buch mit sorgfältig gemalten Bildern.«
»Können Sie sich an die Bilder erinnern? Was war darauf zu sehen?«, fragte Frau Kurz.
»Marcion hat mir nur ein Bild gezeigt, eine Tarotkarte, mit der Botschaft, die für mich bestimmt war.«
Sandra Kurz wiederholte ihre Frage: »Was war auf dem Bild zu sehen, Frau Johannsen, erinnern Sie sich?«
Lea lächelte. »Ich erinnere mich gut, ich weiß sogar, dass mir das Bild gefallen hat, obwohl ich im ersten Moment erschrocken war. Es stellte einen jungen Mann dar, der mit einem Bein an einem Ast festgebunden ist, mit dem Kopf nach unten, doch ein Heiligenschein leuchtete um seinen Kopf.«
»Ach, und was bedeutet das?« Kommissar Bender hatte offensichtlich etwas anderes erwartet.
»Das ist der Gehängte. Der Gehängte bringe das Opfer, hat Marcion gesagt. Die Karte 12 der Großen Arkanen zeigt den Mann, der bereitwillig sein Opfer akzeptiert und die Hilflosigkeit in innere Stärke verwandelt. Es ist Odin am Ast der Weltesche, ein Selbstopfer; das Ritual der Befreiung von den Fesseln der Wirklichkeit. Das Opfer ist notwendig, um sich zurückziehen zu können aus dieser Welt, um zu einer neuen Bewusstseinsebene zu gelangen.«
Sören, Franz Bender und Sandra Kurz hörten ungläubig staunend zu. Lea bemerkte das Befremden, das ihre Worte ausgelöst hatte, an der Stille, die ihnen folgte.
»Ich weiß, es hört sich völlig absurd an, aber als Marcion zu mir sprach, kam es mir vor, als seien all diese Dinge völlig klar und selbstverständlich. Ich habe das alles verstanden.«
»Und was ist anschließend passiert?« Frau Kurz sah von den Notizen auf.
»Ich sollte, wenn ich die nächste Offenbarung erhielte, dieses bekannte Leben verlassen. Wegweiser meiner Reise sei das Rad des Schicksals. Ich müsse mich sofort auf die Reise begeben, ich solle in meinen Wagen steigen und dem Rad folgen. Das Rad des Schicksals drehe sich schneller und schneller, ich solle eins werden mit seinem Rhythmus, der Weg führe in das Licht und zur Erlösung. Ich solle mein Selbst als Opfer bringen, um Erlösung zu finden.« Lea vergrub plötzlich den Kopf in beiden Händen. »Ich habe dermaßen starke Kopfschmerzen, ich brauche dringend ein Aspirin«, sagte sie; Sören ergänzte »und dringend Ruhe«.
»Das denke ich auch«, pflichtete ihm Franz Bender bei, dem nicht entgangen war, dass Leas bleiches
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