Mercy, Band 2: Erweckt
’n mickriger kleiner Angestellter, so wie du aussiehst!“, schießt Franklin zurück, und Ranalds Gesicht verfinstert sich einen Augenblick vor Zorn. „Sprich lieber deine Gebete, solange du noch kannst. Weil ich euch jetzt alle umbringe, jeden Einzelnen, und mich selber auch. Ich werd’s ihnen schon zeigen.“
„Wieso? Wem?“, frage ich ruhig, und die einläufige schwarze Pistole schwingt wieder in meine Richtung.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Lichtfleck einen Augenblick auf dem Boden zu Ranalds Füßen verharrt und sich dann unter dem Tisch, an dem Cecilia sitzt, niederlässt.
Der Malakh ist jetzt so nahe, dass die Energie, die von ihm ausgeht, beinahe schmerzhaft ist. Das metallische Ping-Ping, das bei jeder seiner Bewegungen erklingt, lässt meine Knochen vibrieren.
„Warum machen Sie das?“, sage ich in den Lauf von Franklins Waffe hinein, eher neugierig als ängstlich. „Wieso wollen Sie wildfremde Leute umbringen und dann auch noch sich selbst?“
Ich nehme seine Drohung keine Sekunde lang ernst. Ich muss ihn nicht anfassen, um die Angst zu spüren, die ihm aus allen Poren quillt. Er ist ein Feigling, ein großspuriger Angeber. Er wird nicht abdrücken, wird weder sich noch andere erschießen. Er will nur in die Abendnachrichten, er lechzt nach Aufmerksamkeit.
„Ich hab mein Herzblut in diese Firma gesteckt“, stößt Franklin hervor, und seine Stimme zittert jetzt genauso wie die Hand, in der er die Waffe hält. „Und was ist der Dank? Mein Job wurde einfach wegrationalisiert. Ich bin zweiundfünfzig, verdammt noch mal! Meine Fra u …“ Jetzt weint er ganz ungehemmt, Tränen strömen ihm über die Wangen und in den Bart, seine Nase läuft. „Wie soll ich ihr das beibringen? Wie soll ich ihr erklären, dass ich bald pleite bin. Sie braucht in jeder gottverdammten Saison neue Klamotten, und manchmal wirft sie Kleider weg, an denen noch das Preisschild hängt! Wenn ich ihr sage, dass wir drauf und dran sind, alles zu verlieren, dreht sie durch.“
Ich runzle die Stirn, beobachte den Lichtfleck, der jetzt langsam über den Boden streicht und sich fast auf einem von Franklins glänzenden italienischen Slippern niederlässt.
„Aber das werden sie mir büße n – mit Blut“, schluchzt das jämmerliche Männchen.
„Sie werden in der Hölle landen, Franklin“, wirft Sulaiman von seinem Stuhl aus ruhig ein.
„Schnauze!“, brüllt Franklin. „Ich hab nicht nach deiner Meinung gefragt, Krauskopf. Und einen Ort wie die Hölle gibt’s sowieso nicht.“
„Die Hölle ist kein Ort“, entgegnet Sulaiman unbeirrt. „Sondern ein Zustand. Und Ihre Seele wird für immer verloren sein, wenn Sie Ihre Drohung wahr machen.“
Der kleine Lichtklecks zuckt zusammen, als erschauerte er bei Sulaimans Worten. Dann hebt er leicht vom fettigen Linoleum ab.
„Halt die Klappe, sonst bist du als Erster dran“, kreischt Franklin. Er reißt die Waffe von mir weg und richtet sie auf Sulaiman. „Ich bin nicht hier, um mir ’ne Predigt von einem wie dir anzuhören.“ Er spuckt auf den Boden.
„Was wissen Sie denn schon von einem wie mir?“, erwidert Sulaiman ernst.
Franklin entsichert die Pistole mit dem Daumen seiner rechten Hand und tritt rückwärts in die Lichtpfütze auf dem Boden.
Wieder einmal nehme ich zu viele Eindrücke zu schnell wahr und weiß sofort, dass der Lichtfleck weg ist. Er ist in Franklin hineingesprungen.
Franklin fasst sich stumm an seinen sehnigen Hals, als der Malakh Besitz von seinem Körper ergreift. „Ic h … krie g … kein e … Luft“, keucht er und seine Augen treten hervor. Im nächsten Moment tanzt er auf der Stelle herum wie ein Derwisch nach einem wilden Rhythmus, den nur er hören kann. Doch die Macht des Malakh versiegt erstaunlich schnell, weil Franklin ernsthaft dagegen ankämpft.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Reggie einen Blick mit Cecilia wechselt, die auf der anderen Seite des Raums sitzt. Ranald starrt auf den tobenden Franklin, der sich Gesicht und Oberkörper zerkratzt.
Franklins Haut nimmt jetzt einen fahlgrauen Schimmer an, aber das bemerkt niemand außer mir.
„Geben Sie mir die Waffe, Franklin“, sagt Sulaiman mit zusammengekniffenen Augen. „Sie machen sich doch nur unglücklich.“ Aber das ist ein Fehler, denn Franklin regt sich nur noch mehr auf und drückt in sinnloser Wut auf den Abzug.
Ich höre, wie der Schlagbolzen auf die Zündkapsel trifft, höre die Detonation des hochexplosiven Gemischs darin, dann eine zweite
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