Mercy, Band 2: Erweckt
noch da?
Und ich halte meine kühle Fassade aufrecht, klammere mich verzweifelt daran und antworte:
Kannst du nicht etwas deutlicher werden?
Seit wann flirte ich? Das liegt mir doch gar nicht.
Du weißt genau, was ich meine, schreibt er in rasendem Tempo zurück. Ist auch so schon schwer genug für mich.
Ich antworte:
Gib dir ein bisschen Müh e – tu’s für mich, der alles genommen wurde, was sie je hatte.
Wieder folgt eine lange Pause.
Dann die Worte: Wer bist du?
Und er fügt hinzu: Du hast mir mal versprochen, dass du mir diese Frage beantwortest, wenn wir Lauren gerettet haben. Dann bist du gegangen, warst wie vom Erdboden verschluckt.
Lelas Mundwinkel kräuseln sich zu einem Lächeln, und ich denke eine Weile nach, ehe ich vorsichtig tippe:
Die Leute, die mir das eingebrockt haben, behaupten, dass ich das Wissen in mir trage. Aber ich habe keinen Zugang dazu. Ich bin kein Geist, keine Angst. Ich lebe. Und ich bin kein schlechter Mensch. Nicht mehr, jedenfalls. Ich habe Fähigkeiten, die ich selbst nicht verstehe. Aber ich habe einen eigenen Körper. Lauren könnte ihn dir beschreiben. Ich habe mein wahres Ich in Carmen gesehen, so wie ich mich jetzt auch in Lela Neill sehen kann oder in den Spiegelbildern früherer Inkarnationen: Ich werde stärker. Mein Erinnerungsvermögen kehrt allmählich zurück. Aber ich weiß nicht, ob das, was ich bi n … liebenswert ist.
Verdammt, jetzt habe ich mich verraten! Ich würde mich am liebsten treten, weil ich das Wort ins Spiel gebracht habe. Aber Ryan redet weiter um den heißen Brei herum, um den wahren Grund, der uns zusammengeführt hat, obwohl uns ganze Ozeane, ganze Kontinente, ja, die Logik selbst trennen.
Er schreibt:
Als du weg warst, hat Lauren dich einem Gerichtszeichner beschrieben. Er hat eine Skizze von dir gemacht, die ich in meinem Zimmer aufgehängt habe. Ich trage sogar eine Kopie davon in der Brieftasche mit mir herum. Ich weiß, wie du aussiehst. Würde dich überall erkennen. Lauren hat die Ähnlichkeit gleich gesehen. Sie kennt sich ein bisschen in Kunstgeschichte aus, und sie meint, du siehst aus wie die Delphische Sibylle, nur mit braunen Augen. Und genau so sehe ich dich: als etwas Heiliges. Magisches. Nicht von dieser Welt.
Die Delphische Sibylle: interessant. Muss ich so schnell wie möglich recherchieren. Grinsend schreibe ich zurück:
Wehe, sie ist nicht hübsch, deine komische Sibylle. Und jetzt? Was sollen wir tun?
Er antwortet ohne Zögern: Bei dir ist jetzt Dienstag, bei mir hier Montag. Am Freitag nach eurer Zeit bin ich bei dir. Ich muss vorher noch ein paar Dinge regeln, mit ein paar Leuten sprechen. Ich gehe seit einiger Zeit wieder zur Schule und muss natürlich eine Menge nachholen. Ich habe so viel versäumt. Dad ist überzeugt, dass du dieses kleine Wunder vollbracht hast (oder halt, Carmen). Und vielleicht schaffe ich es jetzt endlich, meinen Abschluss zu machen.(LOL).
Lauren lässt dich grüßen. Ihr geht es im Großen und Ganzen auch besser, aber ohne dich wäre sie nicht mehr am Leben, das weiß sie, und sie möchte sich dafür bei dir bedanken.
Lauren hat eine Menge Fragen an dich. Offiziell ist sie nicht wieder mit Rich Coates zusammen, obwohl er sie kaum aus den Augen lässt, seit sie zurück ist, und die meiste Zeit mit ihr rumhängt.
Ich strahle, als ich das lese. Gut, dass es manchmal eine zweite Chance gibt.
Ryan ergänzt:
Widerspruch ist zwecklos. Auch wenn du noch so gern mit mir streitest. Das Ticket ist bereits gebucht, und ich weiß, wo das Green Lantern is t – hab’s im Internet recherchiert. Mein Flieger kommt morgens an und ich fahre dann direkt zu dir. Du wartest dort auf mich, ja? Geh bloß nicht weg, bevor ich komme. Meinst du, du schaffst das?
Lelas Hand zittert leicht, als ich antworte: Du stellst vielleicht Fragen! Ja, ich denke, das krieg ich hin. Ich bin da und warte auf dich.
Stirnrunzelnd füge ich hinzu: Das Problem ist nur, dass Lela vielleicht nicht sofort von hier wegkann. Ihre Mutter ist todkrank. Ich muss bei ihr bleiben. Aber es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Tage, vielleicht Stunden. Meinem Gefühl nach.
Ryans Antwort ist schnell und fröhlich: Dann bis Freitag. Wahnsinn, was? Macht nichts, wenn es noch dauert. Ich denke pausenlos an dich, seit dem Tag, an dem du verschwunden bist. Ich kann warten. Bis zum Jüngsten Tag, wenn es sein muss.
Ich bin zu aufgewühlt für eine Antwort und klicke mich einfach aus dem Chatroom aus. In mir ist ein Leuchten wie von
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