Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
dass Jennifer Bentz - echt oder eingebildet, Mensch oder Geist - hinter
diesem Blutbad steckte.
»Wer weiß?« Rick erzählte ihr, was vorgefallen war,
und Olivia, innerlich wie versteinert, hörte zu, versuchte, sich zu
konzentrieren, während sie das Gefühl hatte, mit dem Brustkorb in einer
Schraubzwinge zu stecken. Obwohl sie keine Visionen von Morden mehr hatte, die
sie aus der Perspektive des Täters heraus mitverfolgte, durchfuhr sie wieder
das altbekannte, lähmende Grauen, wenn sie an die toten Frauen dachte und an
die Qualen, die sie erlitten hatten.
Bentz sagte, sein Freund Jonas Hayes sei von
L.A. nach Torrance gekommen. Er hatte Verständnis für Bentz gezeigt, als
dieser sich beschwerte, dass man seine Waffe beschlagnahmt und ihn zum Verhör
ins Vernehmungszimmer gezwungen habe. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte
Bentz auf der anderen Seite des verspiegelten Fensters Rede und Antwort stehen
müssen.
Die Polizei von Torrance hatte ihm seine
Geschichte abgenommen, obwohl noch immer viele Fragen offen waren, weil Bentz
sowohl Shana als auch Lorraine in der Woche vor ihrer Ermordung aufgesucht
hatte. Ohne Zweifel stand Bentz unter Tatverdacht.
Olivia fühlte sich elend.
»... es hat Stunden gedauert«, erzählte er
gerade mit kaum verhohlenem Ärger, »die ganze Sache mit Jennifer zu erklären
und dass mich jemand hier nach L.A. locken wollte, vermutlich der Mörder, um
mit diesem Blutbad beginnen zu können. Kurz gesagt: Ich diene dem Killer als
Vorwand - möglicherweise sogar als Motiv - für seine Taten.«
»Moment mal, du glaubst also, Jennifer oder die
Person, die sich als sie ausgibt, bringt Leute um und versucht, dich verdächtig
zu machen?«
»Genau das.«
»Großer Gott, Bentz! Das ist nicht nur an den
Haaren herbeigezogen, das ist einfach verrückt.«
»Und erfordert sowohl eine unglaubliche Planung
als auch Glück.« Er hielt inne, als müsse er die Dinge überdenken. »Wie ich
schon sagte: Ich wollte nur, dass du es von mir erfährst statt von jemand
anderem oder aus den Nachrichten. Wenn die Medien Shana mit Lorraine und dann
mit mir und Jennifer in Verbindung bringen, wird sich die Lage ganz schön
zuspitzen.« Er zögerte, und Olivia sah innerlich, wie er die Augenbrauen
zusammenzog, die Kiefer aufeinanderpresste und sich mit einer Hand frustriert
durchs dichte Haar fuhr.
»Ich bin froh, dass du angerufen hast. Ich habe
mir Sorgen gemacht.«
»Hast du dich deshalb so gemeldet?«
»Wie bitte? Was? Wie habe ich mich denn
gemeldet?«, fragte sie.
»Als wärst du stinksauer. Warum?«
Sie hatte sich ihm nicht anvertrauen wollen, ihn
nicht weiter beunruhigen wollen, doch da er sie schon fragte, sah sie keinen
Grund, ihn anzuschwindeln oder zu beschönigen, was vorgefallen war. »Nun, du
warst nicht der Erste, der heute Nacht angerufen hat.«
»Nicht?«
»Die Spezialistin für Telefonstreiche war vorhin
dran.«
»Wer?« Seine Stimme klang leise. Hart. »Ich weiß
es nicht.«
»Dieselbe Frau, die schon mal angerufen hat?«
»Ich denke, ja. Keine Anruferkennung, und sie
hat nicht gesagt, wer sie ist.«
»Verdammt noch mal, Liwie! Du kannst da nicht
bleiben. Nicht allein.«
»Ich bin hier zu Hause. Außerdem ist Harry S. -«
»Völlig nutzlos. Wir haben doch schon darüber
gesprochen. Ich komme jetzt nach Hause ... oder morgen. Mir ist nicht wohl,
dass du allein bist, bei all dem, was hier passiert.«
»Das passiert aber doch in Kalifornien, und New
Orleans ist... wie weit weg? Fünfzehnhundert Meilen? Jemand, der in L.A. Leute
umbringt, kann mir doch hier nicht gefährlich werden.«
»Er muss sich nur ins Flugzeug setzen.«
»Aber du bist
in L.A. Sie wird dort nicht weggehen.«
»Hm.« Er zögerte, als würde er nachdenken.
Olivia knipste die Nachttischlampe an, und Harry S. streckte seine feuchte
Nase unter der Decke hervor. »Was hat sie gesagt, als sie angerufen hat?«,
erkundigte sich Bentz.
»Dass >er sich in Schwierigkeiten bringt<.
Ich nehme an, sie meinte dich, da sie von RJ gesprochen hat. Und sie hat gesagt,
es sei ein weiterer Mord passiert. Ich dachte, sie spricht von Shana.«
»Wohl kaum. Vermutlich hat sie sich wegen
Lorraine auf die Schulter geklopft. Verdammt noch mal, ich verstehe einfach
nicht, was sie da tut.«
»Das versteht keiner, aber du wirst schon noch
dahinterkommen. Wenn du einmal was gerochen hast, bist du wie ein Hund, der
einen Knochen wittert.«
»Um wie viel Uhr hat sie angerufen?«
»Nach Mitternacht, so gegen Viertel vor eins.
Ich bin
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