Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
noch aufgeblieben, um mir einen Film anzusehen. Moment, ich schaue mal
nach.« Sie drückte ein paar Tasten auf dem Telefon und sah nach, wann der
Anruf mit der Rufnummernunterdrückung eingegangen war, dann klickte sie zu
Rick zurück. »Ja, um zwölf Uhr zweiundfünfzig, ich wollte gerade ins Bett
gehen. Es war ein kurzer Anruf. Achtundzwanzig Sekunden. Morgen früh will ich
bei der Telefongesellschaft nachfragen, woher der Anruf gekommen ist, auch
wenn die Anruferkennung ausgeschaltet war.«
»Gute Idee, aber ich denke nach wie vor, du
solltest das Haus verlassen.«
»Es ist mitten in der Nacht! Ich habe
abgeschlossen und die Fenster kontrolliert. Außerdem hält sich der Mörder wie
gesagt in Kalifornien auf. Du musst dir also eher Sorgen machen als ich.«
»In unserem Schlafzimmer ist eine Pistole. Im
Wandschrank eingeschlossen.«
»Ich weiß.«
»Hol sie raus und leg sie in den Nachttisch.«
»Rick!«, protestierte Olivia. Jetzt klang er
langsam wirklich verrückt. »Ich weiß doch nicht mal, wie ich sie abfeuern soll!«
»Das ist ganz leicht. Ziel. Drück ab.«
»Nachdem ich sie geladen und entsichert habe.«
»Du hast gelogen, du weißt sehr wohl, wie das
geht.«
»Aber —«
»Tu mir den Gefallen. Nur so lange, bis ich
wieder zu Hause bin, einverstanden?«
»Und wann wird das sein?«
»Bald«, gelobte er voller Überzeugung. »Okay.
Gut. Wir haben eine Menge zu besprechen.«
»Ich weiß.« Er zögerte eine Sekunde. »Du kannst
dir sicher sein, Liwie: Ich liebe dich.«
Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Wieder
traten ihr Tränen in die Augen. »Ich liebe dich auch. Pass du auf dich auf.«
Sie legte auf und starrte an die Decke.
Vielleicht hätte sie ihn bitten sollen, seine verdammten Nachforschungen abzubrechen
und nach Hause zu kommen, auch wenn das im Augenblick kaum möglich war. Er
würde dortbleiben müssen. Sie wollte, dass er die Sache zu Ende brachte, die
ihn nach L.A. gezogen hatte.
Dann würde er endgültig zu ihr zurückkehren
können, und sie würde ihm von dem Baby erzählen. Erst dann. Sie wusste, dass er
im nächsten Flugzeug nach New Orleans gesessen hätte, wenn sie ihre
Schwangerschaft zur Sprache gebracht hätte, und dann hätte er ewig bereut, nicht
herausgefunden zu haben, was wirklich mit Jennifer passiert war.
Olivia knipste das Licht aus. Sie wollte, dass
dieser mörderische, herzzerreißende Feldzug vorbei war. Für immer. Sie wollte
nicht, dass Bentz etwas bereute, dass er dachte, er hätte jemanden im Stich
gelassen, der ihn brauchte. Sie wollte sich nicht fragen müssen, ob er einen
Teil von sich, sein Herz und seine Träume, im sonnigen Kalifornien zurückgelassen
hatte.
Sie brauchte ihn ganz oder gar nicht und war
daher nicht bereit, im Vergleich mit seiner Ex-Frau die zweite Geige zu spielen.
Jennifer.
»Hol dich der Teufel«, flüsterte Olivia ins
leere, dunkle Zimmer hinein. Welche Rolle spielte Bentz' Ex bei dem Ganzen?
Sie wälzte sich auf die andere Seite und schaute
durchs Fenster in die tiefschwarze Nacht von Louisiana. Bentz musste damit
abschließen. Jennifers verfluchten Geist ruhen lassen.
Bevor noch jemand ums Leben kam. Bevor Olivia
ihn für immer verlor.
25
»Ich habe das doch alles schon der Polizei von
Torrance erzählt«, sagte Bentz, als er Hayes zurück zum Parker Center brachte,
wo Hayes seinen SUV abgestellt hatte. Es ging auf drei Uhr morgens zu. Bentz
fuhr todmüde den Sepulveda Boulevard entlang, dann nahm er vorsichtig die
Auffahrt zur Interstate 110 Richtung Norden. Trotz der späten Stunde herrschte
dichter Verkehr auf dem Freeway, rote Rücklichter leuchteten vor ihm auf den
leicht abschüssigen Fahrspuren auf.
Hayes war zusammen mit Riva Martinez nach
Torrance gekommen, die gescherzt hatte, Hayes hätte sich die absolut
schlechteste Zeit herausgepickt, um sein Handy abzuschalten. »Besser spät als
nie«, hatte Bentz zu den beiden gesagt, dankbar, dass die Detectives vom LAPD
überhaupt reagiert hatten. Wären sie nicht aufgekreuzt, hätte sich Bentz
vermutlich immer noch auf der Polizeistation von Torrance befunden und würde
unbehaglich auf dem Holzstuhl in dem verdammten Vernehmungszimmer herumrutschen.
Zumindest hatten sie ihm keine Handschellen
angelegt. Nachdem er seine Waffe den Beamten ausgehändigt hatte, die als erste
eingetroffen waren, war Bentz am Tatort festgehalten worden und hatte
beobachtet, wie die Cops Absperrungen errichtet, Lorraines Haus mit Polizeiband
abgegrenzt und die Anwohner
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