Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
unter die Baseballkappe. Nach jenen
riskanten Augenblicken muss ich erst mein Gleichgewicht wiederfinden, meine
Konzentration zurückgewinnen und mir mein ultimatives Ziel vor Augen rufen.
Ich ziehe eine Jogginghose an und schließe meine
Jacke, dann schleiche ich vom Schiff. Um diese Stunde ist hier niemand, so
dass ich unbemerkt ins Auto steigen kann. Sherry auf dem Rücksitz ist
abfahrbereit. Ihre Kleidung, Dienstmarke und Handtasche liegen neben ihr. »Ganz
schön still da hinten«, sage ich zu ihr. Ich blicke in den Rückspiegel, atme
langsam ein und aus und fahre zu einer abgelegenen Sackgasse etwa eine Meile
von dem Restaurant entfernt, in dem ich mich zuvor mit Sherry getroffen hatte.
Wir beide kennen uns schon lange, und es ist eine Schande, dass sie geopfert
werden musste, aber um ehrlich zu sein: Sie ist mir schon immer auf die Nerven
gegangen, ein Cop ohne Mumm. Ich parke den Wagen und wische die Flächen ab, die
ich möglicherweise berührt habe, als ich sie vom Restaurant fortbrachte. Dann
werfe ich die Latexhandschuhe auf den Rücksitz, übergieße alles großzügig mit
Benzin, steige aus und zünde ein Streichholz an.
Die kleine Flamme brennt einen Augenblick lang
hell auf. Ich schleudere das Streichholz durch das geöffnete Fenster auf die
Handschuhe. Der Rücksitz fängt Feuer, das sich schnell weiterfrisst und das
ganze Fahrzeug in Flammen setzt.
Perfekt, denke ich und fange an zu laufen. Da
sehe ich ihn. Ein Typ auf einem Motorrad, der die Straße hinter der Gasse
entlangrast.
Verdammt. Mein Puls schießt in die Höhe.
Schweißtropfen treten mir auf die Stirn, meine Hände werden feucht. Was, wenn
er mich am Auto gesehen hat? Was, wenn er mich beschreiben kann? Was, wenn ...
Beruhige dich! Er hat dich nicht gesehen. Er
wird vielleicht das brennende Auto bemerken, aber genau das hast du doch
gewollt, oder? Lauf einfach weiter.
Angespornt von meinen eigenen aufmunternden
Worten, jogge ich in meiner normalen Geschwindigkeit durch Hintergassen, was
schon schnell genug ist, wenn man bedenkt, was ich alles hinter mir habe.
Ich bin fast beim Restaurant, als ich Sirenen
heulen höre. Feuerwehr. Polizei. Vielleicht ein Rettungsfahrzeug. »Na, dann mal
los!«, sage ich. Ich entdecke meinen Wagen, der seit ein paar Stunden in einer
kleinen Straße mehrere Blocks vom Restaurant entfernt parkt und geduldig auf
mich wartet.
Ohne Probleme fahre ich nach Hause. Nachdem ich
meine Laufsachen ausgezogen und in die Waschmaschine gesteckt habe, dusche ich
lange warm, was mir ein wenig Zeit gibt, über Bentz nachzudenken und darüber,
wie sehr er jetzt leidet. Er ist krank vor Sorge um sein kostbares Frauchen
und völlig aus dem Häuschen wegen seiner toten Ex. »Amüsierst du dich, RJ?« Ich
lache und schäume meine Haare ein. Heißer Wasserdampf wabert durchs Badezimmer.
Als ich meinen Körper einseife, wandern meine Gedanken zum nächsten Schritt, zu
dem, was ich morgen vorhabe. Bentz kann sich gleich auf mehrere Herzinfarkte
gefasst machen. Olivia wird sterben ... O
ja, denke ich, reibe mir den Massagehandschuh über
Bauch und Arme und atme die parfümierte Seife ein. Aber bevor ich sie
erledige, möchte ich, dass Bentz auf glühenden Kohlen sitzt, bis er fast
verbrennt. Ich reibe meine Füße ab, dann lasse ich erneut das warme Wasser auf
mich herabströmen und alle Spuren von Schmutz, Ruß und Schweiß abspülen.
Schließlich trete ich aus der Dusche und trockne mich ab, wobei ich an Olivia
denke, die im Frachtraum des Bootes verrottet und sich zu Tode fürchtet.
Vermutlich schreit sie sich völlig umsonst die Lunge aus dem Hals.
Habe ich ihr nicht gesagt, sie soll nicht ihre
Zeit damit verschwenden? Ich nehme meinen Morgenmantel vom Haken an der
Innenseite der Badezimmertür, werfe ihn mir über und knote den Gürtel zu.
Zeit, die Nachrichten zu sehen. Ich gehe ins
Wohnzimmer und mache unterwegs kurz am Kühlschrank halt, wo ein Krug mit gut
gekühlten Martinis auf mich wartet. Ich werfe zwei Oliven in das Glas mit dem
langen Stiel, gieße den Cocktail darüber und mache es mir auf dem Sofa
gemütlich, nachdem ich den Fernseher angestellt habe. Eigentlich müsste eine
Meldung über einen Autobrand in Marina del Rey eingeblendet werden. Ich schlage
die Beine übereinander und warte. Auf dem Bildschirm erscheint ein bekanntes
Gesicht.
Donovan Caldwell, dieser Jammerlappen, wird zu
dem jüngsten Doppelmord interviewt - dem Springer-Fall. Er und die Reporterin
sitzen im Studio, im Hintergrund ist ein
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