Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
riesiger Monitor mit Bildern der
beiden Zwillingspärchen zu sehen. Vier Mädchen, die Augen aufgerissen, als
wären sie junge Hunde. Herzzerreißend.
Die Reporterin, eine junge Frau mit dunklen
Haaren, großen Augen und einem besorgten Gesichtsausdruck, fragt: »Glauben
Sie, der Killer, der Ihre Schwestern umgebracht hat, ist auch verantwortlich
für dieses Verbrechen?«
»Genau das behaupte ich«, sagt er inbrünstig,
ein aufgebrachter Bruder, der leidenschaftlich mit den Armen in der Luft
herumfuchtelt. Donovan Caldwell ist ein kleines, schmächtiges Männlein in einem
Izod-Golfhemd und Khakihose. Ein perfekt getrimmter Ziegenbart bedeckt sein
Kinn, sein gefärbter Blondschopf soll ihn »hip« wirken lassen. Er ist außer
sich und rot vor Zorn. »Hätte das LAPD seinen Job beim ersten Mal richtig
gemacht und den Mörder meiner Schwestern hinter Gitter gebracht, würden diese
beiden hier noch leben!«
Die Kamera zoomt auf die Opfer, hübsche Mädchen
mit einem so lebensfrohen Lächeln.
»Blablabla.« Ich nehme einen weiteren kühlen,
beruhigenden Schluck und stelle mit der Fernbedienung einen anderen Sender
ein. Natürlich ist mir klar, dass die toten Zwillinge Nachrichtenthema sind,
aber das ist doch nichts Neues. Vor allem die Caldwell-Zwillinge nicht.
Immerhin sind sie seit über zehn Jahren tot ... Geschichte. Der kleine Scheißer
auf dem Bildschirm geht mir tierisch auf die Nerven. So eine Frechheit - mir
die Schlagzeilen zu klauen! Und erst dieser Mist über die Polizei! Er hat doch
keine Ahnung, wovon er redet.
Ich starre auf den Fernseher und setze das Glas
an die Lippen. Lass uns zu den guten Dingen kommen. Wo zum Teufel ist die
Reporterin, die über den Autobrand in Marina del Rey berichtet?
Das ist die einzige lohnende Story.
33
»Wir müssen Fernando finden«, sagte Bentz auf
der Rückfahrt zum Parker Center. Hayes wollte erst Martinez absetzen und
anschließend Bentz zum Mietwagenverleih bringen. »Ich habe versucht, ihn
anzurufen, aber er ist nicht ans Telefon gegangen.«
»Ich dachte, ich hätte dich gebeten, dich im
Hintergrund zu halten.« Hayes war sauer. »Das ist mein Fall.«
»Und meine Frau.« Bentz war genauso verärgert und krank vor Sorge.
»Ich weiß.« Hayes seufzte und lockerte seine
Krawatte. »Wir lassen Yolanda beschatten und das Haus überwachen, für den Fall,
dass Fernando auftaucht.«
»Ich mache mich mal über seinen Job und die
Schule schlau«, sagte Martinez. »Ich werde rausbekommen, was er heute gemacht
hat.«
Hayes' Handy klingelte. Er meldete sich. Auf dem
Rücksitz drehte Bentz fast durch bei dem Versuch, die Puzzleteilchen in diesem
Fall zusammenzusetzen.
Wenn er seine Gefühle beiseitelassen konnte und
das, was passiert war, mit den Augen eines abgebrühten Polizisten betrachtete,
konnte er erkennen, dass er sich im Auge eines mörderischen Hurrikans befand.
Die Person, die hinter all dem steckte, der Kopf der ganzen Sache, hatte es auf
ihn abgesehen.
Ausgehend vom jetzigen Stand der Ermittlungen,
war er das Bindeglied zwischen den ermordeten Frauen. Auch wenn es noch zu früh
war, eine endgültige Verknüpfung mit Fortuna Esperanzo herzustellen, wusste
Bentz Bescheid. Sie war nicht etwa in denselben Klamotten, die diese
»Jennifer« getragen hatte, aus dem Ozean gefischt worden, weil sie die fatale
Entscheidung getroffen hatte, schwimmen zu gehen. Nein, sie war ermordet
worden, und der Killer hatte Fortuna benutzt, weil er sicherstellen wollte,
dass Bentz den Zusammenhang zu dem Jennifer-Schlamassel erkannte.
Doch wenn die Frau, die seiner Ex so ähnelte,
dahintersteckte, warum hatte sie dann ihr Leben riskiert und war in den
Pazifik gesprungen? Und wie hatte sie genau zu dem Zeitpunkt am Flughafen sein
können, zu dem Fortuna laut Gerichtsmedizin ins Wasser geworfen worden war? Das
alles setzte eine genaueste Berechnung voraus. Geduld. Langwierige Planung.
Jemand, der einen ganz persönlichen Groll gegen
ihn hegte, trieb sein Spiel mit ihm, hatte Jahre damit verbracht, das perfekte
Szenario auszuarbeiten. Die, die er ins Gefängnis gebracht hatte, schloss Rick
aus. Wenn sie sich an ihm hätten rächen wollen, hätten sie ihn umgebracht und
Schluss. Wer immer hinter dieser Kette von grauenvollen Ereignissen steckte,
weidete sich an seiner Qual, beobachtete, wie er den Jennifer-Köder wieder und
wieder schnappte. Genau diese Tatsache ließ sein Blut gefrieren. Yolanda Salazar?
War sie mit ihrem hell lodernden Hass in der
Lage, eiskalte Rache zu
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