Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
doch
Bentz blieben kaum Alternativen. Fernando war sein einziger Anhaltspunkt.
Aber er ließ sich an diesem Abend wohl nicht im
Studentenwerk blicken.
Als Bentz vom Tisch aufstand, verspürte er einen
stechenden Schmerz im Bein. Ohne weiter darauf zu achten, warf er die Reste
seines Abendessens in den Mülleimer und stellte den leeren Plastikteller in
einen dafür vorgesehenen Behälter. Dann trat er mit seiner Flasche Pepsi durch
die Glastüren hinaus in die sich langsam herabsenkende Abenddämmerung.
Es war noch nicht richtig dämmrig, aber schon
wieder zog Nebel auf und kroch über die Fußgängerwege zwischen den ausgedehnten
Rasenflächen.
Er dachte an seine Frau und hätte sich wieder
und wieder dafür treten mögen, solch ein Trottel gewesen zu sein. Er hatte
Scheuklappen getragen, als es um Jennifer gegangen war, hatte sich nicht
klargemacht, wie kostbar seine Ehe mit der einzigen Frau war, die er wirklich
liebte, der er wirklich vertraute.
»Idiot«, murmelte er auf dem Weg zur Sydney
Hall, einem zweigeschossigen Betongebäude mit der Anmut eines Bezirksgefängnisses.
Eine Außentreppe führte hinauf in den ersten Stock, die Türen im Erdgeschoss
öffneten sich zu einem weitläufigen Vorbau hin. Bentz besah sich rasch das
Gebäude und stellte fest, dass es innen kein Treppenhaus gab. Fernando,
eingeschrieben für das Englischseminar mit dem Titel »Bühnenautorschaft« im
ersten Stock, würde hier vorbeigehen müssen.
Bentz trank seine Pepsi aus und wartete an der
Treppe. Um die Lampenkugeln bei den Türen schwirrten bereits Insekten. Die
ersten Studenten trudelten ein. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass
Fernando gar nicht aufkreuzte. Zweifelsohne hatte Yolanda ihren Bruder vor Bentz
gewarnt, und dass er seiner Arbeit ferngeblieben und auch das morgendliche
Seminar geschwänzt hatte, zeigte, wie sehr er auf der Hut war.
Verdammt, er konnte auch längst in Tijuana oder
noch tiefer im Landesinnern sein. Die mexikanische Grenze im Süden war gar
nicht so weit entfernt.
Trotzdem, Fernando war ein US-Bürger, geboren
und aufgewachsen in L.A. Bentz wettete, dass er früher oder später wieder
auftauchte.
Und dann würde er ihn festnageln. Vielleicht
noch heute Abend. Vielleicht später. Bentz würde nicht lockerlassen. Er lehnte
sich an die Wand neben der Treppe und sah zu, wie die Tür des Seminarraums
geöffnet wurde und hinter jeder eintretenden Gruppe von Möchtegern-Bühnenautoren
wieder zuknallte.
Die Abenddämmerung färbte sich dunkellila.
Kein Fernando. Komm schon, du Bastard. Nun lass dich endlich blicken,
verdammt noch mal.
Doch der Lärm von Schritten und Gesprächen wurde
leiser, der Strom der Studenten versiegte. Bentz blickte auf die Uhr. Zehn
nach sieben. Seit fünf Minuten hatte niemand mehr den Raum betreten.
Fernando würde nicht erscheinen.
»Mist.« Bentz beobachtete eine Motte, die gegen
die Kugellampe prallte, und wollte gerade die leere Pepsi-Flasche in den Müll
werfen, als er eine Gestalt entdeckte, die durch den Nebel gerannt kam. Ein
Mann, nahm er an. Der Kerl lief an der Sporthalle vorbei und überquerte eine
Rasenfläche. Bentz erstarrte. Blinzelte in die Dunkelheit hinein. Als die
Gestalt näher kam, erkannte er Fernando Valdez. Der kleine Scheißer tauchte
also doch noch auf. Treffer, dachte Bentz. Sein Puls raste. Endlich! Ein Durchbruch!
Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an, als er, den Blick fest auf den
Jungen gerichtet, geräuschlos unter die Treppe schlüpfte. Er spähte durch die
Stufen hindurch und gab sich alle Mühe, sich zurückzuhalten. Er musste warten,
bis Fernando nahe genug herangekommen war, um ihn schnappen zu können. Er
durfte den Mistkerl jetzt nicht verscheuchen.
Fernando keuchte und rannte, als wäre der Teufel
persönlich hinter ihm her. So wie er schwitzte, hatte er das Tempo schon eine
Weile durchgehalten.
Jetzt war es günstig. Nur noch ein kleines
bisschen näher. Bentz tastete nach seiner Dienstmarke und wartete auf den
richtigen Moment. Fernando kam an der Treppe an. Jetzt!
Bentz sprang aus seinem Versteck unter den
Stufen, stellte sich dem Jungen in den Weg und hielt seine Dienstmarke hoch.
»Fernando Valdez? Keine Bewegung. Polizei!«
»Scheiße!« Fernando schickte sich an
wegzulaufen, doch Bentz war darauf gefasst und packte ihn am Unterarm, gerade
so fest, dass Fernando aufschrie. »Autsch! He! Lassen Sie mich los!«
»An deiner Stelle würde ich keinen Widerstand
leisten«, warnte Bentz ihn. Sein verletztes
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