Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
suchen, die dieses Debakel inszeniert hat«, beharrte Bentz.
»Das heißt natürlich, dass du als Verdächtiger
ausscheidest.« Bledsoe nahm einen Schluck Kaffee, um sein Grinsen zu
verbergen.
»Ich habe nicht meine eigene Frau entführt.« Reg
dich nicht auf, ermahnte sich Bentz. Bledsoe suchte nur nach einem Grund, ihn
zum Sündenbock zu machen. Wieder einmal. Und als wäre das nicht genug, sah er
Dawn Rankin das Dezernat durchqueren. Sie fing seinen Blick auf und kniff
leicht die Lippen zusammen, bevor sie sich zu einem Lächeln zwang und auf ihn
zutrat. »Wieder da?«, fragte sie. »Du scheinst es woanders wohl nicht
auszuhalten, oder?«
»Es ist beruflich«, fiel Hayes ihr zu seiner
Rettung ins Wort. Es war ein ständiges Wechselbad mit Dawn: In der einen Minute
dachte Bentz, sie sei längst über ihn hinweg und hätte das Kriegsbeil begraben,
in der nächsten zischte sie mit gespaltener Zunge. Er war froh, dass ihre
Beziehung nur kurze Zeit gehalten hatte.
»Gib mir Bescheid, wenn ich helfen kann«, sagte
sie jetzt mit einem leichten Anflug von Sarkasmus und ging. »Miststück«, sagte
Bledsoe. »Dein Glück, dass du dir am Ende Jennifer Nichols geangelt hast.«
Bentz kaufte ihm die kameradschaftliche Bemerkung nicht ab. Bledsoe, das wusste
er, würde ihn genauso schnell wieder in den Rinnstein stoßen. Zum Glück
klingelte Bledsoes Handy, und er entfernte sich, die Tasse Kaffee in der Hand.
»Das ist also der Stand der Dinge«, sagte Hayes, als sie unter sich waren.
»Der Leichnam im Sarg ist Jennifer. Wir haben viele verschiedene
Fingerabdrücke auf dem Chevy gefunden, aber außer deinen ist keiner in unserer
Datenbank. Wir suchen noch weiter. Im Wagen wurde kein Beweismaterial
sichergestellt, und unser Bergungsteam hat keinen Leichnam einer falschen
Jennifer aus dem Pazifik gefischt.«
»Weil sie noch am Leben ist. Ich habe sie wieder
gesehen.«
»Wie bitte?«
»Heute Morgen«, sagte Bentz. »Auf dem Friedhof.«
»Und Sie haben es nicht für nötig befunden, das
irgendjemandem mitzuteilen?«, fragte Martinez. »Ich war mir nicht sicher,
okay?«
Hayes wedelte mit der Hand, um den Zwist zu
beenden. »Jetzt haben wir dieses Foto und den Umschlag, in dem es steckte. Da
unser Täter bislang äußerst vorsichtig vorgegangen ist, könnte ich darauf
wetten, dass die Sachen sauber sind, aber wir lassen sie trotzdem auf
Fingerabdrücke und DNS untersuchen. Und dann gibt es noch das hier.« Er hielt
das Videoband hoch. »Lass uns einen Blick reinwerfen und mit den Bildern von
der Webcam am Santa-Monica-Pier vergleichen. Und du«, sagte er an Bentz
gewandt, »gehst zur Abteilung für vermisste Personen und erstattest offiziell
Vermisstenanzeige. Mit Sicherheit will sich auch das FBI mit dir unterhalten.«
Hayes war wie immer äußerst penibel und hielt
sich genau an die Regeln. Reine Zeitverschwendung. Schon von Beginn an hatte
Bentz gespürt, wie die Sandkörner durchs Stundenglas rieselten. Je mehr Zeit
verstrich, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass er Olivia rechtzeitig
aufspürte, und dieser Gedanke zwang ihn in die Knie. »Was ist mit Yolanda
Salazar und ihrem Bruder?«
»Sind noch dabei, ihn ausfindig zu machen. Er
ist heute nicht bei der Arbeit erschienen, und sein Vormittagsseminar hat er
auch geschwänzt.«
»Auf der Flucht.«
»Sieht ganz so aus.«
Verdammt! In
seinen Augen war Fernando der Schlüssel, vermutlich die einzige Person, die
»Jennifers« wahre Identität kannte. Es war gut möglich, dass er mit ihr
zusammenarbeitete, ihr Komplize war. Sie mussten ihn aufstöbern.
»Irgendwann wird er schon auftauchen«, sagte
Bentz. »Lasst uns gehen.«
Martinez hüpfte von der Schreibtischkante.
Hayes rollte mit seinem Stuhl zurück.
»Vielleicht haben wir ja Glück«, sagte er.
Martinez war bereits den Gang hinuntergeeilt,
doch jetzt blieb sie noch einmal stehen, um Hayes einen Blick über die Schulter
zuzuwerfen. »Aber sicher doch. Und vielleicht wird heute Abend mein Freund mit
einem Dreikaräter vor mir auf die Knie fallen und mir einen Antrag machen.« Sie
prustete. »Entschuldige, aber meine Erwartung hält sich in Grenzen.«
Das Boot war nicht in Flammen aufgegangen. Noch
nicht. Olivia wusste nicht, warum ihr der Feuertod erspart geblieben war, doch
jetzt, da der Tag vorangeschritten und sie immer noch am Leben war, wurde sie
ruhiger. Zumindest ein bisschen. Sie wusste, dass die Verrückte sie umbringen
würde, doch nicht bevor sie das bekommen hatte, was sie wollte.
Und was
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