Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
»Möglicherweise.«
Nicht nur möglicherweise. Es machte Sinn. Bentz
hatte einen Cop verdächtigt, einen Cop mit Zugang zu Insiderwissen, jemanden,
der im Parker Center arbeitete, der über Hayes in Erfahrung bringen konnte, wie
die Ermittlungen vorangingen, so dass er oder sie immer einen Schritt voraus sein konnte.
Jemand wie Corrine O'Donnell.
Eine Frau, die er zweimal sitzengelassen hatte.
Wegen Jennifer. Bentz erschauderte innerlich, wollte es nicht glauben ...
Dann dachte er an Corrines übermäßig besorgtes Lächeln und ihre ermutigenden
Worte, als er Olivias Vermisstenanzeige aufgegeben hatte. Wie hatte ihm das
entgehen können? Corrine hatte ein Verhältnis mit Jonas, Bentz' Bindeglied zum
LAPD.
Es erklärte, weshalb Jada jeden einzelnen
Schritt von Bentz im Voraus gekannt hatte. Bentz' Kehle wurde trocken, als er
im Geiste die letzten Tage an sich vorbeiziehen ließ, den Anblick der toten
Frauen, die Verfolgungsjagden und »Jennifer«-Erscheinungen.
War das wirklich möglich? Steckte Corrine hinter
all dem? Und wie um Himmels willen passte Hayes in das Ganze?
Jonas Hayes hatte genau gewusst, was Bentz
vorhatte, hatte darauf bestanden, dass sie strikt nach Vorschrift vorgingen.
Das Heulen von Sirenen zerriss die Nacht, hallte
durchs Parkhaus und holte Bentz in die Gegenwart zurück. Das LAPD war auf dem
Weg zu ihnen. »Sie erzählen mir jetzt besser keinen Scheiß«, warnte er Jada.
»Ich möchte nur bezahlt werden.« Sie blickte ihn
erwartungsvoll an.
Montoya warf ihr einen angewiderten Blick zu.
»Nun, darauf würde ich nicht setzen. Ich möchte auch gern Brad Pitt sein, aber
manchmal laufen die Dinge nicht so, wie wir es gern hätten.«
Ihre Lippen kräuselten sich. »Tja, zu schade,
das mit Brad Pitt.« Bentz konnte beinahe sehen, wie sich die Rädchen in ihrem
Gehirn drehten. »Und übrigens: Ich verlange einen Rechtsanwalt. Solange wir uns
nicht geeinigt haben, sage ich kein Wort mehr.«
Martinez blieb an Hayes' Schreibtisch stehen und
reichte ihm die Laborausdrucke von Olivias Foto. »Die Ergebnisse sind eben
gekommen.«
Die Techniker hatten die Aufnahme mehrfach
vergrößert und bearbeitet, um jedes verborgene Detail erkennbar zu machen.
»Sie haben dir das Ganze außerdem per E-Mail
geschickt.«
»Alles klar«, sagte Hayes. Er war todmüde.
Trotzdem verglich er die Bilder miteinander, auf dem Bildschirm, auf Papier.
»Es handelt sich offenbar um ein Boot«, sagte
Martinez. Sie deutete mit dem Finger auf die Ecke über Olivias Kopf. »Siehst du
diese aufgebauschten Dinger da? Schwimmwes ten.
Und da, diese geschwungenen Linien an der Wand, mit den Streifen?« Sie zeigte
auf eine andere Vergrößerung. »Die Techniker haben herausgefunden, dass es sich
um den Griff eines Ruders handelt.«
»Ein Boot. Dann wird sie also irgendwo auf dem
Wasser festgehalten?« Jonas tastete nach dem Knoten seiner Krawatte und dachte
nach. »Vielleicht in einem Yachthafen? Oder in einer privaten Anlegestelle?
Oder ... sogar auf einem Trockendock?« Er untersuchte den Abzug auf weitere
Details.
»Oder draußen auf dem Meer.«
»Verdammt.« Etwas an der Vergrößerung ließ ihn
stutzen. »Wir müssen uns möglicherweise mit der Küstenwache wegen eines
Sucheinsatzes abstimmen.« Martinez holte ihn in die Wirklichkeit zurück, indem
sie ihm einen weiteren Abzug unter die Nase hielt. »Hier ist etwas, das mit
bloßen Augen nicht zu erkennen ist. Das Labor glaubt, es handelt sich um einen
Schriftzug, möglicherweise der Name des Schiffes auf einer Schwimmweste. Die
letzten Buchstaben lauten n, n,
e.«
Hayes schloss für eine Sekunde die Augen, dann
blickte er wieder auf die Vergrößerung. Martinez hatte recht. Das Bild zeigte
eine Schwimmweste. Mit den schwachen, schablonengeschriebenen Buchstaben n, n, e. Die letzten Buchstaben
eines Bootsnamens? Er blinzelte. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, als er
das Original betrachtete. Das konnte nicht sein. Niemals. Auf gar keinen Fall.
Und dennoch, er hatte solche Schwimmwesten,
solche Ruder schon einmal gesehen. Sein Inneres gefror zu Eis ... nein, das
konnte nicht sein ... Doch er hatte den Beweis direkt vor Augen. Mit den
Buchstaben auf der Schwimmweste endete der Name des Bootes, auf dem er ein
paarmal mit Corrine gewesen war: Merry
Anne. Panik durchflutete ihn, als er an all die
geplatzten Verabredungen dachte, die Handyanrufe von wer weiß woher, an den
heißen Sex, aus dem nie warme Zuneigung geworden war, ihr Verständnis für
seinen Job und ihre
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