Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
dir zu, Bentz, Wort für Wort. Aber es
ist das, was du mir nicht erzählst, was mir Herzklopfen und Kopfschmerzen bereitet.«
»Wart mal 'ne Sekunde.«
»Nein, das tue ich nicht. Nicht eine Sekunde,
nicht eine halbe Sekunde. Du wirst jetzt mir zuhören. Wie ich die
Dinge sehe, bist du ganz versessen darauf, deiner Vergangenheit nachzujagen.
Gib's doch zu. Wenn wir in unserer Ehe ein Problem hatten, dann wegen Jennifer.
Kristis Mutter. Eine Frau, von der du dich hast scheiden lassen, weil sie nicht
treu sein konnte und dich betrogen hat. Und jetzt hast du mit einem Gefühl zu
kämpfen, das über ein Jahrzehnt an dir genagt hat: Schuld. Du hast
Schuldgefühle, weil du lebst und sie nicht.«
»Ist das deine professionelle Meinung?«
»Das hat nichts mit meinem Beruf zu tun. Das
sagt mir mein gesunder Menschenverstand.« Es sah so aus, als wollte sie noch
etwas hinzufügen, doch dann schob sie den Rest von ihrem Salat beiseite und
sagte: »Wenn du gehen musst, dann geh. Klär die Sache. Du weißt, ich habe
versucht, dich zu unterstützen, dich zu verstehen und optimistisch zu sein,
doch das hier frisst dich auf. Also geh. Finde heraus, was dahintersteckt. Das
ist wichtig, ja, aber was für mich wirklich wichtig ist, ist, dass du endlich
mit deiner Vergangenheit abschließt.«
Er fühlte ein Zucken an seiner Schläfe. »Wenn du
nicht willst, dass ich gehe -«
»O nein, das ist deine Angelegenheit, nicht
meine. Wenn du das Gefühl hast, du musst das tun, dann tu es.«
»Ich dachte, du willst, dass ich mich dir öffne,
dir erzähle, was mich beschäftigt.«
»Ja«, gab sie zu und nickte. Der Kellner brachte
den Hauptgang. Als er wieder fort war, sagte Olivia: »Ich wollte es wirklich
wissen, doch ich dachte, du hättest dich mir ein bisschen früher anvertraut,
bevor du innerlich bereits deine Koffer gepackt und dich auf den Weg nach
La-La-Land gemacht hast.«
»Wie ich schon sagte: Wenn du nicht möchtest,
dass ich gehe, musst du nur ein Wort sagen.«
Sie zögerte, dann beugte sie sich vor. »Nein,
Rick. Ich möchte, dass
du gehst. So glücklich wir auch waren - und wir waren glücklich -, auf mir hat
immer ein leiser Zweifel gelastet. Und Schuld auf dir. Wenn Jennifer noch am
Leben wäre, wären wir womöglich gar nicht zusammen. Das ist unsere Gelegenheit,
herauszufinden, wie stark unsere Ehe ist.«
»Ich denke, sie ist verdammt stark.«
»Glaubst du?«
»Ja.«
»Aber du willst nicht die Verantwortung für ein
Kind übernehmen.«
»Ich habe ein Kind.« Er wollte noch etwas
hinzufügen, doch er sah, wie sich ihre Augen trübten, und wusste, dass er sie
damit verletzt hätte. Stattdessen griff er über den Tisch nach ihrer Hand. »Es
ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt.«
Sie zog ihre Finger fort. »Für mich ist es der
richtige Zeitpunkt, Bentz«, widersprach sie und schob das Kinn leicht vor.
»Jetzt oder nie.«
Er überlegte, ob er nachgeben sollte. Schließlich
würde sie eine wunderbare Mutter sein, das wusste er. Und was machte es schon,
dass er in Pension wäre, wenn das Kind die Highschool beendete? Das kam doch
ständig vor. Er lächelte. »Ich werde darüber nachdenken.« Sie nahm ihre
Handtasche und schob den Stuhl zurück. »Dann tu das schnell.«
5
Sie hätte es ihm sagen sollen.
Sie hätte keinen Rückzieher machen dürfen.
Olivia trat aus der Dusche und trocknete sich
ab. Dampf beschlug das Badezimmerfenster, und sie wischte, mit sich selbst
hadernd, ein Stückchen davon frei. Bentz war heute früh abgereist und saß jetzt
im Flieger nach Los Angeles. Sie hätte ihn nicht gehen lassen sollen, ohne die
Schwangerschaft zu erwähnen, doch die Vorstellung, zu eben den Frauen zu
zählen, die sich an ihren Mann klammerten und denen jede Ausrede - sogar ein
ungeborenes Baby - recht war, um ihn von dem abzuhalten, was er tun wollte,
ging ihr gegen den Strich. Sie hielt nichts davon, jemanden, den sie liebte, an
die kurze Leine zu legen. Sie wollte nicht, dass er ihretwegen Schuldgefühle
hegte, hatte er ihr doch klar und deutlich zu verstehen gegeben, was er davon
hielt, noch einmal Vater zu werden.
Es war nicht so, dass sie ihn hintergangen hatte
und gegen seinen Willen schwanger geworden war - sie hatten nur einfach nicht
mehr verhütet. Er wusste, dass sie keine Pille nahm. Obwohl Rick für gewöhnlich
aufpasste, hatte er sich ein paarmal, wenn die Leidenschaft die Vernunft
besiegte, nicht erst mit einem Kondom aufgehalten. Außerdem, dachte Olivia,
während sie ihre Zähne
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