Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Titel: Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Zwölfjährigen mit Spielzeugpistole, nagende Frustration
darüber, dass er den Doppelmord an den Caldwell-Zwillingen hätte aufklären
können, wäre er nur ganz auf der Höhe gewesen und nicht benebelt von zu vielen
Besäufnissen. Er war ein Wrack gewesen. Jack Daniel's war sein bester Freund
geworden, und diese Freundschaft hatte jede andere Beziehung zerstört.
Außerdem hatte sie seine berufliche Leistung beeinträchtigt und seine
Fähigkeit, klar zu sehen und zu denken.
    Obwohl offiziell er es gewesen war, der das LAPD
verlassen hatte, hatte doch ein großer Druck auf ihm gelastet, den Dienst zu
quittieren, war die Luft im Department dicker gewesen als der Smog, der sich
über die Stadt senkte. Selbst die ihm verbliebenen Freunde, die wenigen
Kollegen, die »ihn am Hals hatten«, waren erleichtert gewesen, als er L.A. den
Rücken kehrte. Sein Weggang war für alle Beteiligten besser gewesen - besonders
für ihn.
    Doch er hatte auch einige unerledigte
Angelegenheiten zurückgelassen, unter anderem das unaufgeklärte Verbrechen an
Delta und Diana Caldwell.
    Die Gegend hatte sich in den letzten zwölf
Jahren verändert, doch die königlichen Palmen und das spacige Encounter
Restaurant am Flughafen erinnerten ihn an eine Zeit, die er eigentlich
unbedingt vergessen wollte. Bentz manövrierte den SUV auf den Freeway. Wegen
des Smogs konnte er die Hügel, die Los Angeles umgaben, nicht erkennen. Er
spielte an der Klimaanlage, um gegen die steigende Temperatur anzukämpfen.
Gebäude tauchten gespenstisch aus dem flimmernden Hitzeschleier auf. Instinktiv
fuhr er in seine alte Gegend, nicht weit entfernt von Culver City.
    Auch hier hatte sich etwas verändert. Die
Sträucher und Bäume waren größer geworden, die Gegend an sich wirkte wegen der
rissigen Gehsteige und der schmiedeeisernen Gitter vor den Fenstern mancher
Häuser ein wenig heruntergekommen.
    Sein altes Haus sah mehr oder weniger aus wie
früher. Irgendwann in den vergangenen Jahren war es einmal taubengrau
gestrichen worden, doch jetzt brauchte es dringend neue Farbe. Die Garagentür
war abgesplittert und schloss nicht richtig, der Garten war trocken und
verwildert. Zwischen dem von der Sonne gebleichten Rindenmulch vor der
abgenutzten vorderen Veranda wucherte braunes Unkraut. Ein ZU VERKAUFEN-Schild
war vor dem Haus in den Rasen gerammt, doch auch das verblich in der intensiven
kalifornischen Sonne.
    Bentz ließ seinen Stock im Mietwagen, ging ums
Haus und spähte durch die schmutzigen Scheiben. Er blickte auf staubige
Fußböden und schmuddelige Wände, manche waren noch so gestrichen wie vor zwölf
Jahren. Er trat zurück und beschirmte mit der Hand die Augen, dann blickte er
hinauf zu seinem ehemaligen Schlafzimmerfenster und wurde mit einer Reihe von
Erinnerungen bombardiert. Er musste daran denken, wie er vor über zehn Jahren
ebendieses Zimmer betreten und auf ein zerwühltes Bett sowie verstreute
Spiegelscherben gestoßen war. In Gedanken kehrte er zu dem kleinen Zimmer oben
zurück, dem Gästezimmer, das Jennifer als Büro genutzt hatte. Er erinnerte
sich, dass es eine Weile gedauert hatte, bis er ihren Abschiedsbrief fand,
nicht wie sonst üblich auf einem Tisch oder einer Anrichte, sondern tief unten
in einer Schublade ihres Schreibtisches hinterlegt, adressiert an Kristi,
unterschrieben in Jennifers flüssiger Handschrift.
    Er hatte sich immer darüber gewundert. Der
Abschiedsbrief an ihre Tochter, versteckt zwischen den Seiten des neuesten
Selbsthilferatgebers, den Jennifer gelesen hatte. Die Kraft meines Ichs oder
etwas ähnlich Egozentrisches. Kein Ratgeber auf der ganzen Welt hätte seiner
verkorksten Ex-Frau helfen können. Und doch hatte sie den Abschiedsbrief nicht
offen liegen lassen. Als hätte sie es sich noch mal überlegt.
    Oder gewartet. Die letzte Entscheidung noch
nicht getroffen.
    Als er den Brief damals fand, hatte er die
quälenden Fragen beiseitegeschoben und sich klargemacht, dass Jennifer bei
ihrem Selbstmord wie bei so vielen Dingen in ihrem Leben lausige Arbeit
geleistet hatte. Doch nun meldeten sich neuerliche Zweifel. Was, wenn
Jennifers Tod kein Selbstmord gewesen war? Was, wenn sie den Wagen gar nicht
gefahren hatte? Was, wenn die Frau, die er als seine frühere Ehefrau
identifiziert hatte und die nun einen Meter achtzig tief unter der Erde lag,
jemand anderes gewesen war? Doch wer verweste dann in ihrem Grab? Bei der
Vorstellung drehte sich ihm der Magen um, und er verbot sich, weiter seinen
düsteren Gedanken

Weitere Kostenlose Bücher