Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
es mir zeigen?« Da hatte er sie gepackt
und hochgehoben, während sich die Saat auf Küchentresen und Fußboden verteilte.
Chia, die Papageiendame, hatte gekrächzt und der Hund wie verrückt gekläfft,
als Bentz seine Frau die Treppe hinauftrug. Olivia hatte gekreischt und
gelacht, ihre Sandalen waren laut klappernd auf die Stufen gefallen. Im
Schlafzimmer hatte er mit einem Fußtritt die Tür hinter ihnen geschlossen und
sich mit ihr aufs Bett fallen lassen, dann hatte er ihr bewiesen, dass seine
Männlichkeit noch fest an seinem Körper haftete und voll und ganz funktionstüchtig
war.
Mein Gott, er liebte sie, dachte er jetzt,
während er über den belebten Gehsteig ging, der um den Jackson Square
herumführte. Doch im Augenblick war ihre Beziehung angespannt, und es fehlten
ihr die Lebendigkeit, die Leichtigkeit, der Spaß am Flirten, die sie einst
erfüllt hatten. Die Leidenschaft war noch da, doch ohne die Spontaneität oder
das Spielerische, das sie beide einst so genossen hatten. Und wessen Schuld ist das, Detective Superheld? Sein
Bein begann zu schmerzen, als er an den geöffneten Restauranttüren vorbeiging,
wobei er kaum die Klänge der Jazzmusik und die würzigen Düfte der Cajun-Küche
wahrnahm, die auf die Straße wehten.
Er hatte schon vorher überlegt, Olivia in die
unheimliche Jennifer-Geschichte einzuweihen, doch er war nie ein großer Redner
gewesen, zählte nicht zu der Sorte Mensch, die ihre Hoffnungen und
Befürchtungen an die große Glocke hängte. Jetzt war das anders. Jetzt stand
definitiv viel auf dem Spiel.
Er schlängelte sich durch eine Ansammlung von
Künstlern, die ihre Arbeiten an dem schmiedeeisernen Zaun ausstellten, der den
Platz umgab. Ein Saxophonspieler stimmte hinter seinem aufgeklappten
Instrumentenkasten einen bekannten Song an, ein Tarotkartenleser legte Karten
für eine Frau Anfang zwanzig, die begierig jede seiner Wahrsagungen in sich
aufsaugte.
Ein ganz normaler Tag im French Quarter. Als es
anfing zu regnen, überquerte Bentz hinter einer Pferdekutsche die Straße und
trat durch die offene Tür des Third Eye. Olivia tippte gerade einen Einkauf in
die Kasse: mehrere T-Shirts, eine kleine Kiste mit Sand, Steinen und einer
Harke zur Entspannung, ein Baby-Alligatorkopf. Dazu zwei alt aussehende Puppen
mit starren Gesichtern.
Bentz beäugte die makaberen Stücke. Es wurde
höchste Zeit, dass sich seine Frau stärker ihrer Tätigkeit als Psychologin
widmete. Zeit, dass sie aus diesem Laden mit seinem unheimlichen Sortiment
rauskam und sich um Menschen mit echten Problemen kümmerte.
»Hi.« Olivia entdeckte Bentz, als dieser
versuchte, der Kundin auszuweichen, einer mit Taschen bepackten Frau, die nun
an einer Vitrine mit Austernschalenkunst vorbei zur Tür eilte. »Selber hi.«
Olivia lächelte breit, genau das Lächeln, das
sein Herz dazu bringen konnte, schneller zu schlagen. »Was machst du denn hier?
Dich herumtreiben und Leute beobachten?«
»Ich halte Ausschau nach einem heißen Date zum
Abendessen.«
»Moi?«, fragte
sie geziert und tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Brust.
Er runzelte nachdenklich die Stirn und tat so,
als musterte er sie von Kopf bis Fuß. »Ja, schätze, du bist heiß genug.«
»Sehr freundlich, Bentz«, sagte sie mit einem
unbefangenen Lachen. »Schätze, du auch.«
»Auf alle Fälle!«
»Die Männer ... immer so bescheiden«, sagte sie
zu Manda und stempelte aus. Dann ging sie quer durch den Laden zu ihrem Mann und
küsste ihn auf die Wange. »Und was hat das Ganze zu bedeuten?«
»Du hast mich gefragt, was los ist, und ich
dachte, es wäre an der Zeit, dass du Bescheid weißt.« Ihr Lächeln verblasste.
»Muss ich mir Sorgen machen?« Er zögerte, wollte sie nicht beunruhigen. Doch am
Ende entschloss er sich dazu, ehrlich zu sein. »Nicht unbedingt. Zumindest
nicht jetzt und nicht um unsere Beziehung, aber es ist etwas ziemlich
Merkwürdiges im Gange.« Er entdeckte ihren Regenschirm, der neben der Tür
stand, und nahm ihn an sich, dann fasste er sie am Ellbogen und führte sie aus
dem Laden. Regen prasselte auf den Gehsteig und strömte durch den Rinnstein.
Maler, Tarotkartenleser, Straßenmusikanten und -künstler warfen Plastikplanen
über ihre Habseligkeiten oder klappten ihre Tische für diesen Tag zusammen,
bevor sie selbst Schutz suchten. Bentz öffnete den Schirm und hielt ihn über
Olivia, während sie so schnell wie möglich über den Gehsteig eilten. Der Regen
lief ihm über den Rücken, und er gab sich alle Mühe,
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