Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
wusste, was er
eigentlich in Los Angeles machte? Warum war er dann immer noch hier?
Er dachte an sein Gespräch mit Shana. Morgen
würde er sich Tally White vornehmen, die als Lehrerin an einer Mittelschule
arbeitete. Auch mit Lorraine, Jennifers Stiefschwester, hatte er noch keinen
Kontakt aufgenommen. Es gab zwar noch andere Freunde und Verwandte, aber Shana,
Tally und Lorraine standen als enge Vertraute seiner ExFrau ganz oben auf
seiner Liste. Frauen, die möglicherweise wussten, was mit ihr passiert war,
nicht zu vergessen Fortuna Esperanzo, Jennifers ehemalige Kollegin und Freundin
aus der Kunstgalerie.
Natürlich hätte er liebend gern mit Vater James
gesprochen - James, sein eigener, verdammter Bruder -, doch das war unmöglich.
Für James gab es keine Wiederauferstehung von den Toten, Vater James würde
nicht wie Lazarus auf erweckt werden. Bentz war sich sicher, dass der Priester
tot war, einem Serienmörder zum Opfer gefallen, und er war sich beinahe genauso
sicher, dass er in der Hölle schmorte. Mit Jennifer?
Diese Frage konnte er nicht beantworten. Sein
Sodbrennen flammte wieder auf. Er zog ein halbleeres Röhrchen Magentabletten
aus der Tasche, schob sich ein paar davon in den Mund und griff nach den
Schlüsseln seines Mietwagens.
Er warf einen finsteren Blick auf den Gehstock,
der an der Wand lehnte, dann schnappte er Stock und Jacke und trat hinaus in
die nachklingende Hitze des Tages. Er schloss hinter sich ab und ging über den
Parkplatz zu seinem Ford Escape, vorbei an dem alten Mann, der seinen Hund
Gassi führte. Spike blickte an Bentz hoch, dann wandte er sich wieder den
Schlaglöchern im Asphalt zu, entweder auf der Suche nach etwas Fressbarem oder
nach einem Plätzchen, wo er sich erleichtern konnte. Bentz nickte dem Mann zu
und stieg in seinen Mietwagen. Er hatte genug Zeit in seinen schäbigen vier
Wänden im So-Cal Inn verbracht. Er ließ den Motor an, schaltete die Klimaanlage
ein und trat aufs Gas. Er war Zeit, nach San Juan Capistrano zu fahren. Wenn er
Glück hatte, blieben ihm bis zum Einbruch der Nacht noch ein paar Stunden.
Hayes kam quietschend auf der Unterquerung der
Auffahrt zum Harbor Freeway, der Interstate 110, zum Stehen. Blinklichter
zuckten über die Straße und über die rußigen Zementpfeiler, die die gewölbte
Konstruktion aus Beton und Stahl trugen.
Schaulustige, manche mit Fotohandys, hatten sich
um die Lagereinheiten versammelt, die sich unter der Auffahrtsrampe befanden.
Zwei Beamte leiteten den Verkehr um, winkten
Fahrzeuge auf die freie Spur, während die Gaffer abbremsten und einen
gewaltigen Stau zu verursachen drohten. Weitere Beamte in Uniform bewachten
den Zugang zu den Lagern, die mit gelbem Polizeiband abgesperrt waren.
Orangefarbene Verkehrspylone und Straßensperren hielten die Neugierigen fern.
Immer mehr Leute kamen zusammen. Auf der
Auffahrtsrampe über ihnen toste der Verkehr, Reifen sangen, Motoren dröhnten,
es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Ein mit einem blauen Logo und mehreren
Satellitenschüsseln versehener Übertragungswagen des Nachrichtensenders KMOL
parkte ein Stück entfernt, zwei Räder auf dem Bordstein, damit die anderen
Autos vorbeifahren konnten. Die schlanke blonde Reporterin Joanna Quince und
ein stämmiger Mann mit Schulterkamera kamen zielstrebig herbeigeeilt. Der
Hubschrauber eines anderen lokalen TV-Senders schwebte über ihnen. Das
Schwirren der Rotorblätter wurde durch den Verkehrslärm auf dem Freeway
gedämpft.
Hayes parkte in zweiter Reihe neben dem Van der
Spurensicherung und schlängelte sich durch die Polizeifahrzeuge und an dem
Wagen der Scientific Investigative Division vorbei. Die Ermittler des SID, Kriminaltechniker
und Forensiker, waren bereits bei der Arbeit. Sie suchten nach Fußspuren,
Fingerabdrücken, Haaren und jedweder Art von Material, das einen Hinweis auf
die Identität des Killers geben konnte. Fotos und Videoaufnahmen wurden gemacht,
der Tatort vermessen. Hayes blickte nach oben und hielt Ausschau nach einer
Überwachungskamera, doch die Kamera, die über den Lagereinheiten angebracht
war, baumelte in ungünstiger Position an einer verrosteten Strebe und war
offenbar kaputt. So viel zu Überwachungsbildern.
Martinez, eine zierliche Frau mit feuerrotem
Haar und einer messerscharfen Zunge, stand an der Tür zur Lagereinheit 8 und
winkte Hayes hinein.
»Sieh dich um«, sagte sie mit leicht spanischem
Akzent. »Aber ich muss dich warnen: Es ist kein schöner Anblick.« Hayes
wappnete
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