Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
S.
draußen ein Geräusch hörte und wie verrückt zu bellen anfing. »He, sei still!«,
befahl sie ihm und hörte ihren Mann erneut lachen.
»Na großartig. Dann hast du mich also nur
angerufen, um mir zu sagen, dass ich den Mund halten soll.«
»Du weißt doch, was für eine wunderbare Ehefrau
ich bin.«
»Ich ... weiß ... Liwie ...« Seine Stimme klang
schwach und abgehackt, sie konnte nicht alle Wörter verstehen. »Ich kann dich
nicht hören! Ein Funkloch.« Es war zu spät. Jetzt konnte sie es ihm nicht mehr
erzählen. Die Verbindung war bereits abgerissen, und sie sagte in die tote Leitung:
»Ach übrigens, Teufelskerl, du wirst wieder Vater.« In letzter Zeit schien sie
mit Telefonverbindungen nicht viel Glück zu haben. Sie brachte ihre Teetasse in
die Küche und stellte sie in die Spüle. Am Rand des Gartens ging hinter den
Sumpfzypressen und Kiefern ein zunehmender Mond auf. Ein paar Sterne funkelten,
und als Olivia das Fenster öffnete, hörte sie einen Chor von Ochsenfröschen,
die sich einen unerbittlichen Wettstreit lieferten. Sie fütterte Chia und
plauderte mit ihr, dann beschloss sie, aufs Laufband zu gehen, weil sie sich
immer noch ganz kribbelig fühlte. Sie würde warten, bis Rick nach Louisiana
zurückkehrte, und wenn ihr seine Verfolgungsjagd zu lange dauerte, würde sie
ihm hinterherfliegen und ihm die gute Nachricht persönlich überbringen.
»Fünf Tage, Bentz«, sagte sie und tippte sich
mit dem Finger ans Kinn. »Fünf Tage, mehr hast du nicht. Dann heißt es:
Kalifornien, ich komme!«
»Wer hat die Leichen gefunden?«, fragte Hayes,
glücklich, aus dem klaustrophobisch kleinen Lagerabteil heraus zu sein. Er
atmete tief ein. Was machte es schon, dass sich die Benzin- und Dieselabgase
unter der Auffahrtsrampe sammelten? Wenigstens füllte nicht mehr der Geruch
des Todes seine Lungen.
»Eine College-Studentin.« Riva Martinez deutete
auf einen Streifenwagen, auf dessen Rücksitz ein junges Mädchen saß und aus dem
Fenster starrte. Ihre Augen waren vor Angst geweitet, das Gesicht blass hinter
der Scheibe. »Felicia Katz. Geht auf die USC und hat ein paar von ihren Sachen
hier eingelagert. Sie ist heute Nachmittag hergekommen, weil sie etwas aus
ihrem Abteil holen wollte - einen alten Stuhl, glaub ich. Sie hat die Nummer 7
gemietet.« Martinez deutete auf die Tür nebenan. »Ihr ist aufgefallen, dass
die Tür von Abteil 8 nicht zugesperrt und das Schloss geknackt war. Sie dachte,
jemand wäre eingebrochen und hätte etwas gestohlen, also hat sie nachgesehen.«
»Und etwas Hübsches entdeckt«, fiel Bledsoe ihr
ins Wort.
Bei dem Gedanken an die Opfer, die gerade einer
vorläufigen Untersuchung unterzogen wurden, bevor sie, in Leichensäcke
verpackt, zur Autopsie in die Pathologie gebracht wurden, drehte sich Hayes
der Magen um. Noch vor vierundzwanzig Stunden waren sie unschuldige junge Frauen
gewesen, die sich vermutlich auf ihre Geburtstagsfeier freuten.
»Katz hat die Opfer entdeckt«, fuhr Martinez
fort, »dann eine SMS an ihren Freund geschickt und anschließend die 911
angerufen.«
Hayes blickte zum Streifenwagen mit der Zeugin
hinüber. »Warum hat sie sich zuerst an den Freund gewendet?«
»Sie behauptet, sie hätte vor Schreck den Kopf
verloren.«
»Darauf wette ich«, schaltete sich Bledsoe ein.
»Wie heißt der Freund?«
»Robert Finley, genannt Robbie. Arbeitet
tagsüber in einem Coffeeshop, nachts ist er Schlagzeuger bei einer Grunge-Band.
Er ist unmittelbar nach Rohrs eingetroffen, der als erster Officer am Tatort
war. Finley sitzt in einem anderen Streifenwagen. Wir haben Katz und ihn
getrennt, weil wir ihre Aussagen getrennt aufnehmen und miteinander vergleichen
wollen.«
»Glaubst du, die beiden haben etwas mit der
Sache zu tun?«
»Nein. Du?«
»Vermutlich nicht.« Hayes schüttelte den Kopf.
»Es ist der Einundzwanziger-Killer«, unterbrach
Bledsoe sie.
»Wer?«, fragte Riva. Sie war noch relativ neu im
Department und kannte nicht alle alten Geschichten. »So haben wir ihn genannt.
Er hat schon einmal ein Zwillingspärchen an seinem einundzwanzigsten
Geburtstag umgebracht, Delta und Diana Caldwell. Sie waren zwei Tage zuvor als
vermisst gemeldet worden, so dass wir davon ausgehen, dass er sie gekidnappt
und festgehalten hat, um sie genau in der Minute, in der sie einundzwanzig wurden,
zu töten.«
»Dann hat er sie also gekannt?«, fragte Riva mit
zusammengekniffenen Augen.
»Oder Erkundigungen über sie eingeholt. Er ist
nie gefasst worden.«
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