Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
vergessen. Doch es würde ihm schon wieder einfallen.
Wahrscheinlich mitten in der Nacht.
Auch davon hätte er Fotos machen sollen. Er
stellte den Motor wieder ab und stieg aus, um mit dem Handy die Gegend zu
fotografieren. Er knipste die Nummernschilder und die anderen Wagen auf dem
Parkplatz und auf der Straße, die zu dem alten Inn führte. Es waren nur acht,
und einer davon war stillgelegt und zählte daher nicht. Wieder schoss ihm die
abgelaufene Parklizenz durch den Kopf.
Er würde die Krankenhäuser in der Umgebung
überprüfen. Es war gut möglich, dass der Besitzer des Chevy mit einem
Krankenhaus oder einer anderen medizinischen Einrichtung in Verbindung stand.
Es sei denn, der Parkaufkleber gehörte einem der Vorbesitzer.
Auf der Rückfahrt durch das idyllische Städtchen
klingelte Bentz' Handy. Er ging dran, ohne groß auf das Display zu achten, auf
dem UNBEKANNTER ANRUFER aufblinkte. »Bentz.«
»Hi, Rick«, sagte eine Frau, deren eisige Stimme
ihm vage bekannt vorkam. »Hier spricht Lorraine. Du hast angerufen.«
Lorraine Newell. Jennifers Stiefschwester. »Das
ist richtig. Ich bin in L.A. und habe mich gefragt, ob wir uns treffen können.«
»Ich wüsste nicht, warum.«
»Ich habe ein paar Fragen zu Jennifers Tod.«
»Ach du lieber Himmel. Du hast vielleicht
Nerven.« Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Ich wusste, dass es ein großer
Fehler wäre, dich zurückzurufen. Was willst du?«
»Das sag ich dir, wenn wir uns treffen.«
»Nun komm schon, hab dich nicht so. Das passt
nicht zu dir. Ich habe dich immer für geradeheraus gehalten, für einen elenden
Mistkerl, das ja, aber für geradeheraus.«
»Können wir uns morgen treffen?«
»Ich hab tagsüber viel zu tun. Arbeit und
Termine.«
»Dann eben morgen Abend.«
Sie zögerte. »Wieso weiß ich jetzt schon, dass
ich das bereuen werde?« Sie zögerte, als würde sie noch einmal nachdenken,
dann sagte sie: »Na gut. Kannst du, sagen wir um ... halb fünf, bei mir sein?
Ich bin zum Abendessen verabredet, aber vorher werde ich ein paar Minuten für
dich erübrigen. Für Jennifer.« Wie
großzügig.
»Ich wohne jetzt in Torrance.«
»Ich habe die Adresse«, gab er zu. »Natürlich«,
erwiderte sie spöttisch. »Bis dann«, sagte er, aber sie hatte bereits
aufgelegt. Als er sich in den Verkehr auf dem Highway einfädelte, sortierte er
in Gedanken die neuen Informationen. Viele waren es nicht gerade. Ein Chevy
Impala mit irgendeiner Parklizenz - ein Wagen, der eventuell mit diesem
Jennifer-Schwindel zu tun haben könnte oder auch nicht. Einige weitere
Fahrzeuge.
Und dann war da noch Shana. Sie war die Einzige
in L.A., die von Saint Miguel gewusst hatte. Hatte sie ihn belogen, um ihn
dorthin zu lotsen? Damit ihm »Jennifer« erscheinen konnte? Welche Rolle spielte
Shana wirklich? Tatsache war, dass er nicht viel mehr in Händen hatte als vor
zwei Stunden, aber immerhin war es ein Anfang.
»Was sagst du da? Dieser neue Doppelmord ist wie
der an den Caldwell-Zwillingen damals?«, fragte Corrine, als Hayes sein Jackett
an einen Haken bei der Eingangstür ihres Apartments hängte. Mit ihren drei
Zimmerchen und einer unglaublichen Aussicht auf die Berge war die Wohnung zwar
klein, aber atemberaubend, sauber und adrett. Genau wie die Eigentümerin.
»Exakt. Bis hin zu den zusammengefalteten
Klamotten, den Bändern im Haar und der Art und Weise, wie die Leichen
ausgerichtet waren. Verflucht noch mal.« Hayes war müde, hungrig und schlecht
gelaunt.
Sie schüttelte den Kopf. »Kennst du die Namen?«,
erkundigte sie sich mit düsterem Blick.
»Ja. Er hat ihre Ausweise dagelassen. Elaine und
Lucille Springer.«
»Verdammt!« Sie stieß die Luft aus. »Ich
erinnere mich, die Vermisstenmeldungen gesehen zu haben. Sie sind aus Glendale.«
»Korrekt.«
»Scheißkerl.« Corrine strich sich das Haar aus
den Augen und blickte aus dem Fenster. »Hast du die nächsten Angehörigen schon
benachrichtigt?«
»Ja. Ich habe mit den Eltern gesprochen«,
antwortete Hayes und dachte an deren Weigerung, ihre schlimmsten Befürchtungen
bestätigt zu sehen, dann an das Entsetzen und die Trauer. »Nette Leute. Er ist
irgendwas bei einer Versicherung, sie Lehrerin.«
Corrine nickte leicht. Ihr Kiefer war
angespannt, ihre Augen dunkel, als spürte sie den Schmerz dieser Leute, denen
sie nie begegnet war. »Ich erinnere mich«, sagte sie leise. »Sie sind ins
Leichenschauhaus gekommen und haben die Mädchen identifiziert, und man konnte
sehen, dass es sie fast
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