Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
hochzog,
zuckte sie die Achseln. »Trinidad hat's ausposaunt, glaube ich.«
»Manche Leute sind gar nicht begeistert.« Er
blickte sie demonstrativ an. Sie lächelte. »Du meinst Bledsoe?«, neckte sie
ihn. »Ich meinte dich.«
»Nun, ich bin nicht gerade die Präsidentin des
Rick-Bentz-Fanclubs, aber ich denke, das, was vorgefallen ist, ist Geschichte.«
Sie zwinkerte. »Außerdem habe ich mir einen neuen Kerl geschnappt, und der ist
viel süßer.«
»Du hast Bentz nicht gesehen.«
»Schon gut, schon gut, du hast recht. Die Jury
hat noch nicht entschieden.«
»Er erholt sich von einem Unfall. Benutzt
manchmal einen Gehstock.«
»Willst du, dass ich Mitleid mit ihm habe, weil
wir beide Krüppel sind?«
»Das war nicht meine Absicht. Außerdem bist du
kein Krüppel.«
Corrine seufzte und schüttelte den Kopf. »Es ist
sonderbar. Wer hätte gedacht, dass er für solchen Wirbel sorgt? Er ist jetzt -
wie lange weg, zehn Jahre?«
»Zwölf.«
»Wirklich? O ja, er ist etwa zeitgleich mit dem
Mord an den Caldwell-Zwillingen fortgegangen ... Das nenne ich Zufall. Es ist
doch ein Zufall, oder?« Sie blickte Hayes an, und er konnte fast sehen, wie
sich die Rädchen in ihrem Gehirn drehten. »Bestimmt.«
»Die Gerüchteküche brodelt wie wild. Ist das
nicht merkwürdig?«
»Wen interessiert das schon?«, fragte Hayes.
»Allen voran Bledsoe. Er ist höllisch genervt, obwohl ich nicht weiß, warum. Es
ist schließlich nicht so, dass Bentz zurückkommt, um sich hier nach einem Job
umzusehen.«
»Bledsoe ist immer genervt.«
»Das stimmt. Und ich habe den Eindruck, dass
Trinidad nervös ist... warum, weiß ich nicht. Vielleicht weil er Bentz'
Partner und Freund war. Will nicht, dass der alte
Skandal auf ihn abfärbt.«
»Was ist mit Rankin?«, dachte Hayes laut nach.
»Wer weiß? Das ist lange her.«
»Sie war schlecht auf Bentz zu sprechen.«
»Waren wir das nicht alle?«, frotzelte sie und
fragte dann: »Und, hast du dich schon entschieden, ob du zum Essen bleibst? Wie
du weißt, mache ich ein klasse Pesto.«
»Das weiß ich, aber ich habe keinen Hunger. Tut
mir leid.« Sie nickte seufzend. »Hab schon verstanden.« Und das stimmte.
Corrine O'Donnell war als Detective ein Ass gewesen, hatte verschiedene Fälle
von großem öffentlichem Interesse geleitet, bis sie sich bei einer
Verfolgungsjagd das Bein brach und einen Kreuzbandriss zuzog, als sie von einem
Auto erfasst wurde. Sie konnte von Glück sagen, dass sie noch lebte, obwohl sie
nun dazu verdammt war, im Department Papiere hin und her zu schieben. Aktiver
Dienst war für sie nicht mehr möglich. Trotz der Tatsache, dass sie ansonsten
kräftig und gesund war, war das mit dem Knie so eine Sache. Sie bemühte sich
zwar, es zu verbergen, aber manchmal, wenn auch äußerst selten, hinkte sie
leicht. Was sie am meisten ärgerte, wusste Hayes, war die Tatsache, dass sie
keine High Heels mehr tragen konnte.
»Ich hole dir einen Drink.«
»Ich sollte zurück zur Polizeistation fahren.«
»Morgen ist früh genug«, sagte sie und durchforstete
den Gefrierschrank nach Eiswürfeln. »Du erweckst diese bedauernswerten Mädchen
nicht mehr zum Leben.« Das stimmte, doch sie wussten beide, dass die ersten
Stunden nach einem Mord die entscheidenden waren. Je mehr Zeit zwischen
Beweisaufnahme und Ermittlungsbeginn verstrich, desto geringer wurden die
Chancen, den Mörder zu schnappen.
»Es ist seltsam, dass der Einundzwanziger-Killer
nach all den Jahren wieder auftaucht.« Corrine kam zurück und hielt ihm einen
Tumbler mit drei Fingerbreit Whiskey hin, dann reichte sie ihm eine gekühlte
Dose Ginger-Ale. »Zum Selbermixen.«
Sie zwinkerte ihm zu, und zum ersten Mal, seit
er die Leichen gesehen hatte, lächelte er. Mit ihr zusammen zu sein war
einfach. Sie stellte keine großen Ansprüche und verstand ihn besser, als seine
beiden Ex-Frauen es je getan hatten. Außerdem sah sie gut aus. Fit und
geschmeidig, mit dem Körper der Langstreckenläuferin, die sie einst gewesen
war, war Corrine O'Donnell ein absoluter Hingucker. Sie hatte große,
tiefliegende Augen in der Farbe von grauem Feuerstein, die dunkel glühten, wenn
sie erregt war. Wäre er nicht so beziehungsscheu gewesen, hätte er sich in sie
verlieben können, obwohl sie ihn nicht zu einer festen Bindung drängte. Noch
nicht.
»Sieh mal, Hayes, du bist außer Dienst. Trink
was ... vielleicht etwas, das nicht ganz so stark ist wie das hier, denn wie
wir beide wissen, wirst du doch noch einmal ins Department
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